Home Film “Corpus Christi” – das packende Drama stellt grundsätzliche Fragen

“Corpus Christi” – das packende Drama stellt grundsätzliche Fragen

Autor: Mick

"Corpus Christi" Filmplakat (© Arsenal Filmverleih)

Corpus Christi

Darsteller: Bartosz Bielenia, Eliza Ryzembel, Tomasz Sietek, Leszek Lichota
Regie: Jan Komasa
Dauer: 115 Minuten
FSK: freigegeben ab 16 Jahren
Website: Corpus-Christi.Arsenalfilm.de
Facebook: facebook.com/Corpus.Christi.DE


Die Wege des Herrn sind unergründlich, sagt schon die Bibel. Also sollte man sich auch nicht groß den Kopf darüber zerbrechen, warum er sich für eine Erleuchtung gerade den 20-jährigen Gewalttäter Daniel (Bartosz Bielenia) ausgesucht hat, der gerade seine Strafe im Jugendknast absitzt. Zumindest aber ist dessen Werdegang bei der Glaubensfindung alles andere als gewöhnlich und macht ihn damit besonders interessant.

Das muss sich auch Drehbuchautor Mateusz Pacewicz gedacht haben, der seine Geschichte an die wahre Begebenheit anlehnt, bei der sich in Polen tatsächlich ein Junge als Priester ausgab und geraume Zeit unerkannt in einer Gemeinde wirkte. Dass sein Daniel hier erst nach allerlei ganz und gar nicht christlicher Taten zu Gott findet und letztlich sogar das Priesteramt anstrebt, bildet in Jan Komasas Drama “Corpus Christi”, das dieses Jahr den polnischen Filmpreis gewann und sogar für den Oscar® als bester internationaler Film nominiert war, eine stimmige, fiktive Rahmenhandlung der Ereignisse, die vor einigen Jahren in Polen Schlagzeilen machten.

Schon eingangs konfrontiert uns Komasa mit Daniels ungewöhnlicher Berufung, lässt uns darüber sinnieren, was den durchtriebenen Straftäter wohl dazu bewogen haben mag, sich im Gefängnis zum Glauben zu bekennen und als Messdiener zu engagieren. So richtig möchte man dem nämlich seinen reinen Sinneswandel im brutalen Behauptungskampf der Strafanstalt nicht abnehmen, den uns Komasa mit ungeheurer Härte um die Ohren haut. Doch als Daniel nach Entlassung zum Arbeitseinsatz in der entlegenen Provinz sein erster Gang nicht etwa zum Arbeitsplatz sondern zum Gebet in die Kirche führt, ist auch der letzte Zweifel ausgeräumt. Gleichzeitig erhält er dort eher zufällig die Gelegenheit, einen Weg einzuschlagen, der ihm eigentlich durch seine kriminelle Vergangenheit verbaut ist.

Im Gespräch mit der jungen Einheimischen Marta (Eliza Ryzembel) gibt er sich nämlich als Priester aus, und ehe er sich versieht, ist er schon als Vertretung des altersschwachen Vorgängers installiert. Doch wird schnell klar, dass es in der gläubigen Gemeinde mit dem Anleiten zum Gebet allein wie bei der Gefängnismesse nicht getan ist, denn es liegen nach einem traumatischen Ereignis in der Vergangenheit noch einige Wunden offen, die er jetzt verarzten will.

"Corpus Christi" Szenenbild (© Arsenal Filmverleih)

Daniel (Bartosz Bielena) beim Gottesdienst (© Arsenal Filmverleih)

Komasa entwickelt sein Drama gekonnt um das Einzelschicksal Daniels, verkörpert durch den groß aufspielenden Bartosz Bielenia, herum, der seinen Weg zurück in eine Gesellschaft sucht, die für jemand mit seiner Vita verschlossen scheint. Schnell aber stellt der Film viel grundlegendere Fragen, die sich anhand der verhärteten Fronten innerhalb der zerstrittenen Dorfgemeinschaft ergeben. Warum gelingt erst einem nicht ausgebildeten Priester mit seinen unkonventionellen Mitteln, was die Institution Kirche über Jahre nicht vermochte? Warum stellt erst eben jener Fragen bei politischer Intervention? Und letztendlich viel entscheidender: Wie kann es sein, dass die Kirche entgegen ihren Grundsätzen die Versöhnung der Menschen unterdrückt?

Damit ist “Corpus Christi” ein ungemein tiefgründiges Drama, mit dem Komasa durch den unbedarften, intuitiv handelnden Daniel nicht nur Kirche und Gesellschaft hinterfragt, sondern gleichzeitig eine Auseinandersetzung mit Glaube und Vergebung provoziert. Dass er mit Daniels erfrischendem Wirken in der Dorfgemeinde außerdem ungeheure Herzenswärme verbreitet, macht den Streifen nicht nur zu einem anspruchsvollen sondern zusätzlich überaus emotionalen Vergnügen.

Trailer:

Bewertung: 8 von 10 Punkten

 

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