Home Film “Das fliegende Klassenzimmer” – eine unterhaltsame zeitgemäße Neuverfilmung von Kästners Klassiker

“Das fliegende Klassenzimmer” – eine unterhaltsame zeitgemäße Neuverfilmung von Kästners Klassiker

Autor: Tobi


"Das fliegende Klassenzimmer" Filmplakat (© LEONINE Studios)

Das fliegende Klassenzimmer

Darsteller: Leni Deschner, Lovena Börschmann Ziegler, Morten Völlger, Wanja Valentin Kube
Regie: Carolina Hellsgård
Dauer: 86 Minuten
FSK: freigegeben ab 6 Jahren
Website: www.leoninedistribution.com/filme/166938/das-fliegende-klassenzimmer.html
Facebook: facebook.com/LEONINEStudios
Kinostart: 12. Oktober 2023


Wenn man über Klassiker der deutschen Kinder- und Jugendliteratur spricht, dann landet man bald, wenn nicht direkt, bei Erich Kästner, denn dem 1899 geborenen und 1974 verstorbenen Schriftsteller haben wir so bekannte und beliebte Werke wie “Emil und die Detektive” (1929), “Pünktchen und Anton” (1931), “Das fliegende Klassenzimmer” (1933) und “Das doppelte Lottchen” (1949) zu verdanken. Diese wurden auch verfilmt, und zwar allesamt mehrfach, was sich fortsetzt, wenn nun “Das fliegende Klassenzimmer” erneut auf die große Leinwand kommt.

Hielt sich die erste Adaption von 1954 noch sehr an die Romanvorlage mit dem famosen Bonbon, dass Kästner, der auch das Drehbuch verfasste, als Erzähler mit von der Partie war und somit sich selbst in der Rahmenhandlung spielen konnte, wurde diese in der 1973er-Verfilmung ausgespart und es gab einige zeitgemäße Anpassungen, eine Verlegung der Winterhandlung in den Sommer und ein abweichendes Ende. In der Umsetzung von 2003 – übrigens mit dem jungen Frederick Lau – gingen die Abweichungen dann über das Aufgreifen moderner Problemthemen wie Mobbing, Arbeitslosigkeit oder Ehekrise hinaus, da das nun wieder im Winter spielende Geschehen von einem bayerischen Internat in das des Leipziger Thomanerchors verlegt wurde, aus dem Bandenanführer Egerland die angehimmelte Ladendiebin Mona wurde und auch eine einstige DDR-Flucht mit eingeflochten wurde.

Die vierte Verfilmung von “Das fliegende Klassenzimmer” hält sich trotz einer erneuten Verlagerung in schneefreie Monate wieder mehr ans Original, ist hierbei aber auch der heutigen Zeit angepasst, was man schon daran sieht, dass hier nicht nur Jungs im Mittelpunkt stehen. So ist es kein Martin, sondern die 13-jährige, pfiffige Martina (Leni Deschner), die in finanziell beschränkten Verhältnissen mit ihrer alleinerziehenden Mutter (Jördis Triebel) in einem Berliner Hochhaus lebt, wo sie sich mit um ihren kleinen Bruder kümmert, bis der erhoffte Brief kommt, dass sie ein Stipendium für das begehrte Südtiroler Johann-Sigismund-Gymnasium erhält. Auch wenn der Bruder sie nicht gehen lassen will, diese Chance kann und will sich Martina nicht entgehen lassen, und so verspricht sie ihm einen gemeinsamen Urlaub in den nächsten Ferien und macht sich auf ins idyllische Alpenstädtchen Kirchberg.

Kaum angekommen lernt sie die entschlossen auftretende Jo (Lovena Börschmann Ziegler) kennen, die ihr zusammen mit dem gutmütigen Matze (Morten Völlger) und dem kleinen Uli (Wanja Valentin Kube) erklären, dass hier seit Generationen eine Fehde zwischen den “Internen”, den Stadtkindern im Internat, und den “Externen” vom Land existiert, die sich nicht vermischen, eigene Gebiete beanspruchen und sich das Leben schwer machen. Da es direkt zu einem Zwist kommt, bei dem Martinas Koffer auf der Motorhaube eines Autos landet und diese amtlich eindellt, lernt diese auch Internatsleiter Justus Bökh (Tom Schilling) schnell kennen. Mit seiner ruhigen, verständnisvollen Art kann er zwar eine Eskalation vermeiden, aber bevor Martina überhaupt richtig angekommen ist hat sie bereits die ersten Schulden verursacht, und da es ihr peinlich ist, erklärt sie auch nicht, dass die Mutter kein Geld zur Verfügung hätte, sie zu tilgen.

"Das fliegende Klassenzimmer" Szenenbild (© UFA Fiction/LEONINE Studios)

Die Internen: Uli (Wanja Valentin Kube), Jo (Lovena Börschmann Ziegler), Martina (Leni Deschner) und Matze (Morten Völlger)
(© UFA Fiction/LEONINE Studios)

Anders als Bökh präsentiert sich Schuldirektorin Kreuzkamm (Hannah Herzsprung), die zwar etwas trottelig, aber mit Strenge auftritt, wobei sie nicht einmal die eigene Tochter Ruda (Franka Roche) im Griff hat, die als Anführerin der Externen einiges im Schilde führt. Als Martina mit ihren neuen FreundInnen auf einer Flucht in abgelegenem Gelände einen in einem ehemaligen Nichtraucherwagen der Bahn hausenden Aussteiger (Trystan Pütter) kennen lernen, den sie trotz Nikotinkonsums auf Grund seiner Bleibe “Nichtraucher” taufen, kommen sie später auf die Idee, hier ein Filmprojekt zu realisieren – denn der Plan, den ewigen Streit der rivalisierenden Kinder mit dem gemeinsamen Theaterstück “Das fliegende Klassenzimmer” beizulegen, scheint fehlgeschlagen. Bei so viel Ablenkung fällt Martina das Lernen nicht leicht und ihre Ziele geraten in Gefahr…

Erich Kästners Klassiker erweist sich einmal mehr als zeitlos und liegt in einer weiteren durchaus ideenreich an die momentanen Themen angepassten Umsetzung vor, die sich gut anschauen lässt und insgesamt zu gefallen weiß. Regisseurin Carolina Hellsgård (“Sunburned”, “Wanja”) liefert nach einem Drehbuch von Gerrit Hermans (“Tabaluga”, “Hilfe, ich habe meine Lehrerin geschrumpft”) eine solide Inszenierung, bei der sie auf eine gut aufspielende Riege an NachwuchsakteurInnen ebenso zurück greifen konnte wie auf bekannte Gesichter für die Erwachsenenrollen – wobei Tom Schilling irgendwie mit seinen nun 41 Lenzen immer noch zu jung aussieht für einen Internatsleiter.

Dafür darf er singen, und das macht er ordentlich, schließlich erfahren wir etwas über alte Bandzeiten und gebrochene Freundschaft – wobei diese für den Kern von Kästners Werk wichtige Beziehung hier leider an Emotionalität einbüßt, was schade ist. Auch bei den Kindern sind die Charaktere ordentlich herausgearbeitet worden, von der taffen Jo und der klugen Martina über den Boxsport-liebenden, aber sanftmütigen Matze und den unter seiner im Vergleich noch limitierten Größe leidenden Uli, der dann auf gefährliche Art und Weise um Anerkennung kämpft, bis zur gerne verschlagen wirkenden, aber doch gar nicht bösartigen Ruda. Das wird Kindern gefallen, denn hier gibt es für fast jeden jemanden, mit dem sie sich identifizieren können. Da dies gut in eine nach wie vor interessante, unterhaltsame Handlung eingebettet wird, ist die Neuverfilmung von “Das fliegende Klassenzimmer” für die heutige junge Generation sicher sogar reizvoll, wenn sie die Romanvorlage nicht kennen sollten, und für Erwachsene, die vergleichen können, ohne gelangweilt zu werden.

Trailer:

Bewertung: 6 von 10 Punkten

 

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