Home Film “Der Geschmack der kleinen Dinge” – Sinnsuche eines Starkochs in der Lebenskrise

“Der Geschmack der kleinen Dinge” – Sinnsuche eines Starkochs in der Lebenskrise

Autor: Mick

"Der Geschmack der kleinen Dinge" Filmplakat (© Neue Visionen Filmverleih)

Der Geschmack der kleinen Dinge

Darsteller: Gérard Depardieu, Kyozo Nagatsuka, Eriko Takeda, Pierre Richard
Regie: Slony Sow
Dauer: 105 Minuten
FSK: freigegeben ab 6 Jahren
Website: der-geschmack-der-kleinen-dinge.de
Facebook: facebook.com/neuevisionenfilmverleihgmbh


Die Rolle des Spitzenkochs Gabriel Carvin in seinem „Der Geschmack der kleinen Dinge“ hat Regisseur und Drehbuchautor Slony Sow Gérard Depardieu wie auf den Leib geschrieben. So füllt der diese mit all seiner gewohnten physischen Leinwandpräsenz auch bestens aus und nimmt uns mit auf eine Reise zur Erleuchtung seines Gabriel, neben dem allerdings alles andere weitgehend verblasst.

Gabriel scheint am Ziel seiner Träume angelangt, hat unlängst den dritten Stern für seine stets außerordentlich gewürzte Gourmetküche verliehen bekommen und ist doch irgendwie seltsam getrieben. Kein Wunder, dass er dabei nicht nur die Familie sondern vor allem seine Gesundheit vernachlässigt und schon bald die Quittung dafür bekommt. Nicht nur sucht seine Frau ausgerechnet bei dem Restaurantkritiker Trost, der ihn gerade ausgezeichnet hat, aber viel schlimmer noch schlägt sein inzwischen überaus massiger Körper zurück und bringt ihn mit einem Herzinfarkt an den Rand des Todes. Den scheint er auch klaglos zu akzeptieren, ist seine Lebenslust doch längst einer handfesten Depression gewichen.

Da aber hat er die Rechnung ohne seinen besten Freund, den ausgeglichenen Austernzüchter Rufus (Pierre Richard) gemacht, der gar nicht daran denkt, ihn einfach so gehen zu lassen und ihn nach der überstandenen Bypass-Operation daran erinnert, dass es ganz im Gegensatz zu Gabriels überdrüssiger Einstellung doch noch einiges zu entdecken gibt. Es ist immer wieder eine wahre Freude, dem inzwischen 88-jährigen Pierre Richard bei seinen charmanten, spitzbübischen Darbietungen zuschauen zu dürfen, und so verleiht auch sein verschmitzter Rufus dem Film nach der doch etwas getragen wirkenden Einleitung endlich eine angenehme Frische.

Überhaupt ist die Szene des Wiedersehens der so gegensätzlichen Freunde der emotionale Höhepunkt von Sows Streifen, präsentiert uns nicht nur den für die Handlung essentiellen Wendepunkt, sondern hält mit den vertrauten Dialogen und noch mehr mit der amüsanten Internetrecherche der beiden kauzigen Senioren obendrein eine Menge Herzenswärme bereit. Denn erst durch Rufus erinnert sich Gabriel an einen Japaner, der ihn einst mit einer simplen Nudelsuppe bei einem Kochwettbewerb bezwungen hat. Die hat damals auch ihn mit ihrem Aroma verzaubert, dessen Ursprung ihm rätselhaft erschien, und das sich so von den geläufigen Geschmacksrichtungen süß, sauer, salzig und bitter unterschied: Umami. Mit ihm ist Gabriels Interesse geweckt, in letzter Instanz dem unergründlichen Geschmack auf die Spur zu kommen. Die führt nach Japan, wo der Kontrahent (Kyozo Nagatsuka) von damals jetzt ein Restaurant betreibt, und die Suche gibt seinem Leben plötzlich wieder einen Sinn, den er so lange verloren glaubte.

"Der Geschmack der kleinen Dinge" Szenenbild (© Neue Visionen Filmverleih)

Zwei Meister ihres Fachs: Auf ihrer kulinarischen Reise zu den Ursprüngen des Umami lernen sich Tetsuichi Morita (Kyozo Nagatsuka) und Gabriel (Gérard Depardieu) zu schätzen.
(© Neue Visionen Filmverleih)

Was für ein schöner Ausgangspunkt für Gabriels Weg aus der Lebenskrise, der so feinfühlig hätte ausfallen können. Sow jedoch hat anderes mit uns vor, rückt Depardieu alias Gabriel bei Ankunft in Japan in den Mittelpunkt einer typischen Culture-Clash-Komödie, die leider auch vor billigem Slapstick nicht zurückschreckt. Da ist sich der beleibte, ewig kurzatmig schnaufende Depardieu für nichts zu schade, zwängt sich mühevoll in die enge Box eines Kapselhotels, redet auf die immer höflichen Japaner fast geistesabwesend penetrant auf Französisch ein, darf besoffen im Bademantel durch die winterliche Stadt irren und wird zu guter Letzt auch noch auf dem Dreirad einen steilen Berg hinaufgehetzt.

Diesem irrwitzigen Treiben seines Hauptdarstellers, der sich als Gabriel zu weiten Teilen selbst spielt, räumt der Regisseur einen gewaltigen Platz ein, der alles andere verdrängt. Dabei bergen die kleinen Nebenschauplätze, die Sow leider nur andeutet, so viel mehr Potenzial, wird auch das fein nuancierte Spiel von Kyozo Nagatsuka, der als sympathischer Suppenküchenbetreiber Morita zu Gabriels wissendem Begleiter durch den Irrgarten des japanischen Alltags wird, vom polternden Auftritt Depardieus nahezu erdrückt. Da hilft es dann auch nicht mehr viel, dass die eigentlich recht tiefgründige Suche nach Umami durchaus anspruchsvolle philosophische Deutungen zulässt. Auf die ist einem dann aber längst die Lust vergangen.

Trailer:

Bewertung: 5 von 10 Punkten

 

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