Home Film “White Bird” – das fiktive Nazi-Verfolgungs-Jugenddrama verspielt vorher aufgebauten Kredit

“White Bird” – das fiktive Nazi-Verfolgungs-Jugenddrama verspielt vorher aufgebauten Kredit

Autor: Tobi

"White Bird" Filmplakat (© LEONINE Studios)

White Bird

Darsteller: Ariella Glaser, Orlando Schwerdt, Gillian Anderson, Helen Mirren
Regie: Marc Forster
Dauer: 121 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: www.leoninedistribution.com/filme/172701/white-bird.html
Facebook: facebook.com/LEONINEStudios
Kinostart: 11. April 2024


Während einem zu nicht wenigen RegisseurInnen direkt Genres einfallen, in denen sie sich am häufigsten bewegen, ist Marc Forster – nein, immer noch nicht der mit K im Vornamen geschriebene Sänger – für Vielfalt bekannt. Der in Ulm geborene Filmemacher schaffte 2001 mit dem Independent-Drama “Monster’s Ball” seinen Durchbruch, widmete sich mit “Wenn Träume fliegen lernen” (2004) der Entstehung von “Peter Pan”, lieferte mit “Stay” (2005) einen Psychothriller, mit “Schräger als Fiktion” (2006) eine Fantasy-Komödie, mit “Drachenläufer” (2007) eine Drama-Roman-Verfilmung. 2008 durfte Forster mit “James Bond 007: Ein Quantum Trost” den berühmtesten Agenten der Action-Filmwelt inszenieren und ließ in “World War Z” (2013) Brad Pitt gegen Zombies kämpfen, bevor er zuletzt mit “Christopher Robin” 2018 ein Fantasy-Abenteuer bot und 2022 im Remake “Ein Mann namens Otto” Tom Hanks als grummelnden Mitbürger servierte. Mit seinem neuen Film “White Bird” geht er zurück in die Zeit des Zweiten Weltkriegs und der innereuropäischen Nazi-Ausbreitung mit ihren üblen Methoden.

Zunächst aber befinden wir uns im New York der Gegenwart, in der der junge Julian (Bryce Gheisar) wegen Mobbings von der Schule geflogen ist. Um ihn zum Nachdenken zu bringen, erzählt ihm seine überraschend aus Paris zugereiste, als Künstlerin erfolgreiche Großmutter Sara (Helen Mirren) zum allerersten Mal die Geschichte ihrer eigenen Jugend, die sie eigentlich nicht gerne thematisiert, von der sie sich aber eine positive Wirkung auf Julians Handeln erhofft. So geht es zurück ins Frankreich Anfang der 1940er-Jahre. Hier lebt Sara (Ariella Glaser) zunächst glücklich mit ihren Eltern im kleinen Ort Aubervilliers aux Bois, bis die Deutschen das Land besetzen und sich alles ändert.

Auch vor Saras Schule machen die deutschen Soldaten keinen Halt, wobei es ihnen völlig egal ist, dass es sich um eine kirchliche Einrichtung handelt. Jüdische Kinder wollen sie finden und haben sogar eine Liste der Gesuchten dabei – und ausgerechnet Saras Schwarm Vincent (Jem Matthews) verrät die in den Wald geflohenen MitschülerInnen. Mit Hilfe ihres poliobedingt gehbehinderten und deswegen von anderen gemobbten Mitschülers Julien (Orlando Schwerdt) gelingt Sara aber knapp die Flucht und sie kommt bei seinen Eltern (Gillian Andersen und Jo Stone-Fewings) unter, die sie in der Scheune verstecken, da sie vermuten, dass die Nachbarn Nazi-Spitzel sein könnten. Nach anfänglicher Skepsis freunden sich Sara und Julien immer mehr an und zusammen erschaffen sie im Versteck eine fantasievolle Welt, in der sie schöne und glückliche Momente erleben – die Gefahr ist allerdings noch längst nicht gebannt.

"White Bird" Szenenbild (© LEONINE Studios)

Julien (Orlando Schwerdt) und Sara (Ariella Glaser) flüchten in ihre eigene Welt.
(© LEONINE Studios)

Mit “White Bird” hat Marc Forster die Graphic Novel “White Bird – Wie ein Vogel” von R.J. Palacio verfilmt, die als Bestseller-Autorin des ebenfalls filmisch umgesetzten “Wunder” bekannt ist. Und es gibt sogar eine Verbindung beider Stoffe, war in der Adaption von “Wunder” doch Bryce Gheisar bereits als Julian zu sehen, der damals durch Mobbing des Protagonisten Auggie missfiel.

In der ersten Hälfte gelingt es dem Film noch recht gut, einen emotional einzufangen, mit einer erneut tollen Helen Mirren als Rahmenhandlungs-Großmutter, aber auch mit guten JungakteurInnen in einer durchaus ans Herz gehenden Geschichte um zerstörtes Glück und Zusammenhalt im Verstecken vor den Nazis – die tapfere, traurige Jüdin und der brave, liebe, von seinen Einschränkungen nicht klein zu kriegende, vorher wenig beachtete Mitschüler werden beste Freunde.

Dann aber wird es doch etwas zu kitschig, und als würde einem der Film noch einmal deutlich machen wollen, dass man hier nur eine fiktive Geschichte verabreicht bekommt, gibt es einen irrwitzig blödsinnigen Moment im Wald, wo ganz andere Gefahr gebannt wird – was wirklich nur ärgerlich anmutet statt fantasievoll. Spätestens hier hat einen “White Bird” dann verloren und es wird einem bewusst, warum man sich doch weit lieber auf wahren Ereignissen beruhende Geschichten anschaut, wenn es um die Nazi-Zeit mit ihren Schrecken geht – und hiervon gibt es ja viele … wobei Taika Waititi mit dem erfrischenden, ideenreichen “Jojo Rabbit” ja zeigte, dass auch erdachte Stories zur Zeit bestens funktionieren können. Diesmal ist es leider nicht so.

Trailer:

Bewertung: 5 von 10 Punkten

 

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