Home MusikKonzertberichte Die Toten Hosen sind auch nach 40 Jahren noch nicht rentenreif und begeisterten beim Auftakt zur Jubiläumstour (Köln, 10. Juni 2022)

Die Toten Hosen sind auch nach 40 Jahren noch nicht rentenreif und begeisterten beim Auftakt zur Jubiläumstour (Köln, 10. Juni 2022)

Autor: Tobi
Die Toten Hosen (© Robert Eikelpoth)

(© Robert Eikelpoth)

Wenn sich Die Toten Hosen als ihre Heimat liebende Düsseldorfer für den Auftakt ihrer Tour zum 40-jährigen Bandjubiläum ausgerechnet das Stadion des rheinischen Rivalen im nahgelegenen Köln aussuchen, dann weiß man bereits, dass es mit Animositäten längst vorbei ist – was sich ja auch letzte Woche erst zeigte, als die Band beim Überraschungs-Gastspiel während des Eröffnungs-Gigs der Donots bei Rock am Ring als zweiten Song “Schrei nach Liebe” von den Ärzten erwählten.

“Ich bin noch keine 60, und ich bin auch nicht nah dran. Und erst dann möchte ich erzählen, was früher einmal war”, sangen die Hosen 1986 in ihrem “Wort zum Sonntag”. Damals war die 60 noch so weit weg, als Sänger Campino und die Gitarristen Andreas “Kuddel” von Holst, Michael “Breiti” Breitkopf sowie Walter Hartung die Band mit Bassist Andreas “Andi” Meurer und Schlagzeuger Trini Trimpop gründeten. Nun feiern Die Toten Hosen also ihr 40-Jähriges, und Campino wird noch im Juni die 60 erreicht haben, Andi im Juli. Campino, Kuddel, Breiti und Andi sind immer noch dabei – lediglich Drummer Vom Ritchie kam erst 1999 fest ins Line-Up, nachdem er den aus Krankheitsgründen ausgestiegenen, langjährigen Schlagzeuger “Wölli” ersetzte. Und auch wenn Campino ihn während des Konzerts liebevoll als Benjamin der Band vorstellte, weil er erst seit knapp über 20 Jahren mit dabei sei – auch Vom wird in zwei Jahren schon 60, ebenso wie Kuddel und Breiti.

Am milden Abend des 10. Juni 2022 strömten die etwa 40.000 Besucher ins seit Monaten ausverkaufte RheinEnergieStadion in Köln, um die Jungs zu feiern, und die Hosen untermauerten, dass an musikalische Rente noch lange nicht zu denken ist. Nicht nur auf Grund der langen Pandemie-bedingten Livemusik-Pause herrschte eine sehr vorfreudige und friedliche Atmosphäre, auch die Zusammensetzung des Publikums mit Fans jeden Alters und jeder Bevölkerungsschicht vom Geschäftsmann bis zum Punker trug ihren Teil bei – hier wollten alle nur zusammen eine große Band gebührend feiern.

Nachdem ab 17 Uhr schon zunächst Tim Vantol und dann eine Stunde später die Leoniden als erste Support-Acts aufgetreten waren, wurde es um 19 Uhr merklich voller, denn die beliebten Punkrocker von Feine Sahne Fischfilet standen auf dem Programm – angesagt von Vom, der hierbei auch gleich noch ein paar Dosen “Hosen Hell” im Publikum verteilte. Ja, es gibt momentan Diskussionen um die Formation auf Grund anonym erhobener Vorwürfe gegen Frontmann Jan “Monchi” Gorkow, aber da nicht klar ist, ob es sich hierbei nur um eine Hetzkampagne handelt, wurde dieses Thema hinten an gestellt und auch nicht erwähnt – schließlich gab es ja kürzlich erst ein ausführliches Statement der Band hierzu. 45 Minuten lang erfreuten die Jungs aus Mecklenburg-Vorpommern, bei denen der für Christoph Sell in die Band gerückte Hauke (Gitarre) seine Feuerprobe vor großem Live-Publikum gut meisterte und Max Bobzin nach dem Abgang von Jacobus North nun alleine in die Trompete blies, mit ihren oftmals politisch kritischen Songs zwischen Punkrock und Ska, und auch einigen klaren Botschaften zwischendurch. Es war schön, zu sehen, wie gesund der offensichtlich bestens gelaunte und dankbare Monchi wirkte, nachdem er in den letzten Jahren ja 65 Kilo abgespeckt hatte – und seiner Stimme hat dies nicht geschadet. Kraftvoll wurden die Songs verabreicht inkl. der starken neuen Nummer “Komm mit aufs Boot” mit Ska-Punk-Stimmung, und Monchi suchte auch mehrfach den Kontakt zum Publikum, verschwand hierbei auch mal kurz in der Masse. Ein sehr guter Anheizer, der allerdings noch unter recht dürftigem Sound litt.

Wer diesen nun auch für die Hosen befürchtete, wurde eines Besseren belehrt. Okay, glasklar und schlichtweg ein Genuss war der Klang auch bei ihnen nicht, aber dadurch, dass nun alle Ränge bis unter das Dach besetzt waren und somit kaum noch Rückhall herrschte, war der Sound völlig okay und der großen Jubiläumsparty stand nichts im Weg. Diese gab es dann auch, als Campino, Andi, Breiti, Kuddel und Vom um 20.35 Uhr zu dem Klängen des Intros “3 Akkorde für ein Halleluja!” auf die Bühne kamen, hinterlegt von toll passenden, Western-artigen Einspielungen auf den riesigen Videowänden hinter der Bühne sowie rechts und links daneben. Generell muss gesagt werden, dass die riesige Bühne wundervoll bunt gestaltet war und zusammen mit einer starken Lightshow – auch mal inkl. kontrolliert abgebrannter Pyros – und perfekt auf die Songs abgestimmter, manchmal atemberaubend gut geschnittener Nutzung der Videoflächen einen absolut perfekten Rahmen lieferte.

Die Hosen zeigten sich von der ersten Minute an spielfreudig und boten eine – siehe unten – facettenreiche Mischung von Songs aus ihrer langen Karriere, wobei “Kamikaze” (2020) als neuestes Stück gut angenommen wurde, für richtig große Party sorgten aber natürlich die zahlreichen Klassiker von “Eisgekühlter Bommerlunder” (1983) über “Hier kommt Alex” (1988), “Wünsch dir was” (1994), “Bonnie & Clyde” (1996) und “Steh auf, wenn du am Boden bist” (2002) bis zu “Tage wie diese” (2012) und “Laune der Natur ” (2018).

Im Vergleich zur Setlist des dem offiziellen, hiesigen Tourauftakt vorgeschobenen Zusatzkonzerts (oder auch der öffentlichen Tourprobe) in Flensburg drei Tage zuvor wurden die neuesten Singles “Scheiß Wessis” und “Teufel” ausgespart, dafür kamen einige Stücke wie “Das ist der Moment” (2013) oder das gute alte “Reisefieber” (1982) als früheste Nummer hinzu. Auch das macht die Hosen aus, dass man eigentlich nie genau die gleichen Songs in gleicher Reihenfolge zu hören bekommt, wenn man sie mehrere Abende sehen sollte – hier feilen die Musiker immer noch akribisch an der optimalen Set-List für den jeweiligen Abend, wie 2019 auch in der tollen Doku “Weil du nur einmal lebst – Die Toten Hosen auf Tour” (lies unsere Kritik hier) zu sehen.

Nachdem die aktuelle Werkschau “Alles aus Liebe: 40 Jahre Die Toten Hosen” zu ihrem zwölften Nummer Eins-Album wurde, wird das auch sicher noch nicht der Abschluss gewesen sein, viel zu spielfreudig und agil präsentierten sich die Jungs – und das über amtliche zwei Stunden und zehn Minuten. Zwischendurch wurden bei “112” Bilder aus der Bandkarriere eingespielt und der gutgelaunte Campino berichtete, dass sie gerade ihr 45. Konzert in Köln spielen würden, oder mahnte an, auch während des furchtbaren Krieges in der Ukraine nicht all das andere Leid in der Welt zu vergessen. Neben massig abrockenden Highlights, die mit Klatschen und Hüpfen bis zu den obersten Rängen sowie friedlichem Pogo an einigen Stellen des Innenraums gefeiert wurden, gingen auch einige sentimentale Momente unter die Haut, als “Nur zu Besuch” u.a. dem 2016 verstorbenen Wölli gewidmet wurde oder bei “Wort zum Sonntag” das Stadion zu einem Lichtermeer wurde – Gänsehaut garantiert. Nun sind die Kult-Punkrocker also sehr nah dran an der 60, aber sicher noch fern der musikalischen Rente. Alles Gute zum Jubiläum, und weiter so, das war ein grandioses Konzert!

Die restlichen Daten der Tournee – Tickets gibt es z.B. hier bei Eventim (Partnerlink):

15.06.22 Rostock – IGA Park
18.06.22 München – Olympiastadion
24.06.22 Düsseldorf – Merkur Spiel-Arena (ausverkauft)
25.06.22 Düsseldorf – Merkur Spiel-Arena (ausverkauft)
30.06.22 Kassel – Auestadion
02.07.22 A-Wien – Krieau Open Air
09.07.22 Leipzig – Festwiese (neue Location)
14.07.22 Hamburg – Open Air am Volkspark
16.07.22 Stuttgart – Cannstatter Wasen (ausverkauft)
17.07.22 CH-Zürich – Letzigrund Stadion
20.07.22 CH-Locarno – Moon&Stars
23.07.22 Freiburg – Messeplatz (ausverkauft)
24.07.22 Mannheim – Maimarktgelände
20.08.22 Berlin – Flughafen Tempelhof (ausverkauft)
27.08.22 Bremen – Bürgerweide (ausverkauft)
03.09.22 Konstanz – Bodenseestadion
10.09.22 Minden – Weserufer Kanzlers Weise (ausverkauft)

Die Tracklist aus Köln:
Intro (3 Akkorde für ein Halleluja!)
Alle sagen das
Auswärtsspiel
Altes Fieber
Paradies
Bonnie & Clyde
Liebeslied
112
Laune der Natur
Das ist der Moment
Kamikaze
Niemals einer Meinung
Amore Felice
Wannsee
Unter den Wolken
Willkommen in Deutschland
Nur zu Besuch
Steh auf, wenn du am Boden bist
Du lebst nur einmal (vorher)
Pushed Again
Alles aus Liebe
Wünsch dir was
Hier kommt Alex

Zugabe 1:
Alles was mal war
Reisefieber
Wort zum Sonntag
Eisgekühlter Bommerlunder
Schönen Gruß, auf Wiederseh’n

Zugabe 2:
Tage wie diese
Freunde
You’ll Never Walk Alone

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Links:
Website der Toten Hosen
Website von Feine Sahne Fischfilet
Website des RheinEnergieStadion Köln

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