Home MusikKonzertberichte Matt Costa – Kritik des Konzerts in Köln am 7. Juni 2006

Matt Costa – Kritik des Konzerts in Köln am 7. Juni 2006

Autor: Birte Gernhardt

Eigentlich hätte der lange laue Vorsommerabend all diese Jungs und Mädels mit den Skater-Schuhen, T-Shirts mit Aufdruck “West Shore” und kleinen Holzsurfbords um den Hals zu einer Grillparty oder zumindest in den Biergarten gelockt, wäre da nicht das Matt Costa Konzert im Prime Club gewesen. In der Schlange vorm Club wird noch in Ruhe ein Joint geraucht, bevor die Sonnenbrillen in den Taschen oder in den Haaren verschwinden und das schummerig-dunkle Saal-Licht uns alle umhüllt. Auf den Auftritt muss ich noch zwei angenehme Bierlängen warten. Der Raum ist voll als der nette Junge von nebenan die Bühne betritt…

Doch Stopp, zuvor ein keiner Rückblick auf die noch junge Karriere des Matt Costa. Angefangen hatte alles mit einem Schicksalsschlag als 19 Jähriger: der leidenschaftliche Skater, der auf dem besten Wege war ein erfolgreicher Pro zu werden, zertrümmerte sich bei einem Sturz das Bein und musste anderthalb Jahre dem Sport entsagen. Aus Langeweile in der Reha nahm er sich die alte Gitarre wieder zur Hand, die er als 12-Jähriger geschenkt bekommen hatte. Bald hatte er sein Spiel perfektioniert und schrieb eigene Songs.
Auf einem einfachen Rekorder nahm er ein Demotape auf, das über Tape-zu-Tape-Propaganda in seiner Heimat Huntington Beach zu Tom Dumont, dem Gitarristen von No Doubt, gelangte. Der fand die Songs klasse, erzählte seinem Freund Jack Johnson von dem musikalischen Potential des jungen Kaliforniers und schnell entstand das Album “Songs We Sing” veröffentlicht durch Johnsons Label Brushfire.
Costa ist also nun kein professioneller Skater, hat dafür aber eine märchenhafte Musikerkarriere hingelegt, die ihn mittlerweile auch auf Europatour katapultiert hat.
Seine Texte sind vom Sunshine-Coast-Leben geprägt, seine Melodien erinnern an Donavon. Doch sein Album besticht schlicht durch Vielseitigkeit: von Folk über Rock und Country bis Psychedelic ist alles dabei.
Und auch live sollte Costa nicht enttäuschen.

Leise betritt Matt Costa fast schüchtern die Bühne, im Hintergrund seine Band. Im karierten Hemd mit Dreitagebart eher unscheinbar wirkend, verliebt man sich doch, sobald die ersten Klänge ertonen und er beginnt zu singen. Mit einer unglaublichen Leichtigkeit purzeln die wunderschönen Melodien aus seinem Mund. Man fängt an zu träumen, wägt sich in einem anderen Land, in einem Straßenkreuzer-Cabriolet sitzend relaxet den linken Arm aufgestützt, über endlos weite Landstraßen cruisend…

Er kann rockig, er kann sinnlich, er kann abgedreht sein, wenn er erst einmal das Publikum auf seiner Seite wähnt. Am heutigen Abend dauert das nicht lange, denn die Jungs und Mädels hier kennen seine Songs, singen und klatschen begeistert mit. Ausgerecht “Cold December” lässt mich in einen weiteren Traum voller Lagerfeuerromantik versinken, während der verhinderte Halfpipe-Champion erklärt, dass Musik für ihn eine Art Flucht in eine andere Welt abseits des gesellschaftlichen Mainstreams ist.
Mit dem Gitarrenrocker “Sweet Thursday” holt er mich aus meinen Träumen. Darauf folgt die Beatles-Hommage “Oh Dear” und die aufmunternde, galoppierende Country-Nummer “Sweet Rose”.

Neben der Akustischen Gitarre ist Costa seine Mundharmonika das wichtigste Instrument auf der Bühne. “One day I forgot my harmonica…” erzählt er uns von einem unglücklichen Tag. Und weil das damals so schön war, als er dem Publikum beibrachte den Part der Mundharmonika zu summen, hat er das als Stilmittel beibehalten. Das Publikum lässt sich von seiner kumpelhaften Art mitreißen: das erstaunlich harmonisch klingende Brummen und Summen erfüllt wenig später den Konzertsaal des Prime Club.
Das Sahnehäubchen des Abends ist für mich “Whiskey and Wine”. Erstens ist der Song einfach prima und zweitens zeigt er, dass Costa definitiv nicht der perfekte Schwiegersohntyp ist, für den ihn viele auf den ersten Blick halten mögen, dass er auch schon mal Schwächen gezeigt und den Trost im Alkohol gesucht hat.
Nach gut zwei Stunden in einer imaginären Hängematte, schwebe ich nach Konzertende in Trance an Matt Costa vorbei, der noch brav am Eingang des Prime Club Autogramme gibt und mit seinen Fans übers Surfen philosophiert. -Einfach wunderbar.

Links:
Homepage von Matt Costa
Homepage von Brushfirerecords

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