Home MusikInterviews Bad Religion zum Album “The New America” (05/00)

Bad Religion zum Album “The New America” (05/00)

Autor: Tobi

Bad Religion sind mehr als eine Punkrockband unter vielen, Bad Religion haben diesen Stil mit geprägt. Seit zwanzig Jahren vertont Frontmann Greg Graffin nun schon seine aussagekräftigen, oft gesellschaftskritischen Texte mittels einer ganz besonderen Art des Punkrocks, bei der Härte und Melodik, die manchmal an irische Folkmusik erinnert, miteinander verbunden werden. Anfangs waren Bad Religion hierzulande nicht mehr als ein Insidertip, bekam man ihre bei Epitaph, mittlerweile zum vielleicht wichtigsten Punklabel gewachsen, erschienenen LPs doch nur als Importe. Trotzdem waren Bad Religion längst Kult in der Szene, als sie durch den Wechsel zum Major Sony/Epic 1993 weltweit veröffentlicht wurden, und spätestens seit ihrem einzigen kommerziell so richtig erfolgreichen Hit “Punk Rock Song” aus dem Album “The Gray Race” waren Songwriter Greg Graffin (Gesang), Brian Baker (Gitarre), Greg Hetson (Gitarre), Jay Bentley (Bass) und Bobby Schayer (Drums) wohl auch dem Letzten ein Begriff.

Trotz dieses Erfolges, Bad Religion suchten nie den Kommerz und blieben sich immer treu. Wie bereits der Vorgänger “No Substance” enthält auch das neue Album “The New America” keinen Song, der als “big hit” konzipiert ist, dafür aber eine Menge guter Stücke, Bad Religion in Reinkultur. Als Produzenten wählten Bad Religion diesmal Todd Rundgren, der als Songwriter und Gitarrist sowie Produzent (Patti Smith, The Psychedelic Furs) gleichermaßen bekannt wurde. Abgemischt wurde das Ganze dann noch von Bob Clearmountain, der schon für die Rolling Stones oder Bruce Springsteen arbeitete. Wir sprachen mit Brian Baker über die Scheibe:

Bad Religion "The New America" Jetzt bestellen bei Amazon.de

“Viele Bands arbeiten heutzutage vor allem mit Aggressivität, Ärger und Feindseligkeit. Wir sind nun einmal etwas älter und weiser, ich denke mal, dass es okay ist, über Positives und Negatives zu singen.”

MUM: Ihr feiert dieses Jahr 20-jähriges Bandjubiläum. Feiert ihr das irgendwie?

B: Ich möchte da gar nicht so drauf herumreiten, dass wir schon so alt sind. Wir haben da nichts Besonderes geplant.

MUM: Ihr spielt da nicht mal ein Jubiläumskonzert?

B: Das genaue Datum wissen wir gar nicht, wir wollen da aber wirklich nichts Großes daraus werden lassen, aus diesen 20 Jahren. Wir konzentrieren uns lieber auf die Tour für das neue Album, das bedeutet uns ja auch einiges.

MUM: Dann sprechen wir doch mal über die Platte. Siehst du irgendwelche musikalischen Unterschiede zu vorigen Alben, sind da welche?

B: Ja, die gibt es schon. Ich meine, natürlich schreibt Greg Graffin immer noch Greg Graffin-Musik. An dieser Scheibe hat er mehr als ein Jahr geschrieben, während wir die vorige Platte in ein paar Wochen gemacht haben. Er hat da diesmal sehr viel mehr Wert drauf gelegt. Ich denke, das Album ist handwerklich besser, wir haben sehr viel mehr an Details gebastelt.

MUM: Worum geht es diesmal in den Texten?

B: Na so um die typischen Bad Religion-Themen. Für das Volk, gegen Amerika, und dass man damit aufhören sollte, irgendwelchen Leuten gegenüber unfair zu sein.

MUM: Ist das eher eine kritische Scheibe oder eine positive?

B: Ich denke, eher eine positive. Da ist durchaus weniger Negatives zu hören, aber das liegt daran, dass wir alle diese allgemeine Unzufriedenheit etwas leid sind. Viele Bands arbeiten heutzutage vor allem mit Aggressivität, Ärger und Feindseligkeit. Wir sind nun einmal etwas älter und weiser, ich denke mal, dass es okay ist, über Positives und Negatives zu singen.

MUM: Was hältst du denn von Bands wie Korn, die vor allem auf Aggressivität setzen?

B: Ich weiß, wie sie klingen, aber das ist absolut nicht meine Musik, ich verstehe diese Musik nicht. Gitarren haben sechs Seiten, nicht sieben, ich weiß wirklich nicht, was die da machen.

MUM: Das Album heißt “The New America”. Sind wir an einem Punkt, wo sich Amerika mehr verändert hat als in den Jahren oder Jahrzehnten zuvor?

B: Nein, aber es hat sich Spannung aufgebaut. Die Wirtschaft ist sehr mächtig, jedem scheint es finanziell gut zu gehen, und das hat dazu geführt, dass die Leute mehr und mehr betroffen sind über sich selbst, mehr als früher. In diesem Glücksgefühl eskaliert die Gewalt mehr und mehr, ob nun in den Privathaushalten, wie man ja immer wieder hört, oder an den Schulen, wo anscheinend jede Woche jemand auf seine Mitschüler schießt. Eigentlich sollte das die glückliche Gesellschaft sein, für mich ist das alles aber nur Barbarentum. Der Titel ist schon eher ironisch, er reflektiert unser Missfallen, wie das alles abläuft.

MUM: Geht es auch um all die neuen Technologien?

B: Ja, die laufen da Hand in Hand mit all dem. Die Leute müssen nicht mehr mit jemand anderem klarkommen, sondern nur noch mit ihrem Computer. Das ist typisch für die amerikanische Idee, dass man niemanden braucht, eine absolute Arroganz.

MUM: Nutzt ihr das Internet auch, um eure Musik auszutauschen, oder kommt ihr alle schon immer zusammen, um zu musizieren?

B: Wir treffen uns hierfür. Das Internet benutzen wir, um mit unseren Fans zu kommunizieren. Für die Musik kommen wir als Menschen aber zusammen, das ist auch der einzig richtige Weg.

MUM: Kümmert ihr euch denn selbst um eure Webseite, oder macht das jemand anderes für euch?

B: Nein, das machen wir. Wir haben jemanden, der daran arbeitet, aber all die Grafiken und die sonstigen Inhalte kommen von uns. Wir speisen da auch Fotos ein, die wir gemacht haben, und geben uns schon Mühe mit der Seite.

MUM: Wer kommt zu euren Konzerten, sind das eher die Fans, die mit euch älter geworden sind, oder mehr die Kiddies?

B: Unsere Musik, gerade auch das neue Album wieder speziell, ist für die alten Fans, die uns durch die Jahre begleitet haben. Wenn wir bewusst versuchen würden, Musik für den jungen Markt zu machen, dann wäre das unehrlich. Leute werfen uns ja öfters mal vor, eindimensional zu sein, aber in dem, was wir machen, waren wir die Pioniere. Wenn wir versuchen würden, uns zu ändern, dann wäre das ein schrecklicher Fehler. Die Musik machen wir, um die Fans zu erreichen, die all die Jahre verstanden haben, was wir tun.

MUM: Ihr habt die Scheibe von Todd Rundgren produzieren lassen, wie kam es dazu?

B: Greg ist seit vielen, vielen Jahren ein Fan von Todd Rundgren. Ich denke, dass die Platten von Todd überhaupt einer der Gründe waren, warum Greg damals angefangen hat, zu singen. Die Situation entstand dadurch, dass Todd uns kontaktiert hatte, weil er auch ein Bad Religion-Fan ist. Wir haben uns nach jemandem umgesehen, der uns mit der Scheibe hilft, weil wir die letzte größtenteils alleine gemacht hatten. Todd war interessiert und hatte Zeit, und natürlich war Greg auch begeistert von der Idee. Das Beste aber ist, dass Todd auf Hawaii lebt, was bedeutet, dass wir nach Hawaii gehen mussten, um aufzunehmen. Ich lebe in einer Stadt, wo die Temperaturen vielleicht so sind wie in Stuttgart, somit war das natürlich ein großer Anreiz. Das klang also nach Spaß, ich war aber auch überzeugt, dass Todd sehr kompetent ist, weil ich viele seiner Produktionen mag.

MUM: Und ihr seid jetzt auch voll zufrieden mit dem Ergebnis.

B: Ja, absolut.

MUM: Ich habe einen Satz von Greg gelesen, wo er sagt, dass Todd Bad Religion auf ein Level gebracht hat, wo ihr sonst nie hin gekommen wäret. Was meint er damit?

B: Ja, Todd war der erste Produzent, den wir hatten, der kritisch war. Wenn er etwas nicht mochte, dann ist er aufgestanden und hat gesagt: “Leute, dieser Song ist nicht sehr gut.” Das hat vorher nie jemand getan, die anderen haben zustimmend genickt und sich gefreut, dass sie gut bezahlt werden. Todd war wirklich interessiert, er hat zum Beispiel das Tempo einiger Songs geändert. Er hat sich außerdem um Details bemüht, zum Beispiel ganz bestimmte Stellen in den Drums, über die vorher noch nie jemand nachgedacht hat. Todd ist ein großartiger Songwriter und Musiker, und wir haben viel von ihm gelernt.

MUM: Meinst du, ihr arbeitet weiter mit ihm, oder nehmt ihr vielleicht bewusst jemand anderen, um wieder eine neue Note in die Musik zu bringen?

B: Ich hätte kein Problem damit, wieder mit Todd zu arbeiten. Ich denke, wir werden aber vielleicht jemand anderen auswählen nächstes Mal, um vielleicht auch von ihm wieder zu lernen, wie wir dies jetzt von Todd taten.

MUM: Mit Bob Clearmountain hattet ihr ja noch einen bekannten Namen im Team. kam es auf Empfehlung von Todd hierzu, oder war das eure Wahl?

B: Wir haben diese Platte mit einer Menge Technologie aufgenommen, die wir vorher nie benutzt haben, Pro-Tools-Computer und solche Sachen. Als es dann an das Mischen ging, da hatte Todd auf Hawaii einfach nicht das Equipment hierfür, und hier kam Bob ins Spiel, da er bekannt dafür ist, mit diesen Techniken großartig zu arbeiten. Wir kamen also nicht auf ihn, weil er Bob Clearmountain ist, sondern weil er einer der Besten ist, um aus digitalen Informationen eine CD zu machen. Das war wirklich Glück für uns, weil er sehr schnell und ernsthaft gearbeitet hat und wir auch von ihm lernen konnten.

MUM: Du klingst sehr glücklich, was die Scheibe angeht.

B: Ja, das bin ich auch. Das ist die am besten klingende Bad Religion-Platte, die wir je gemacht haben. Ob das für andere Leute wichtig ist, das wird man sehen, für mich ist es dies aber.

MUM: Meinst du, dass ein Song der CD eine Hitsingle wie “Punk Rock Song” werden könnte, oder ist dir das völlig egal.

B: Das ist mir wirklich egal. Ich denke aber nicht, dass eine Hitsingle zu finden ist, dafür einige unserer besten Songs, die wir je gemacht haben. Ich interessiere mich nicht für das, was im Radio läuft, und auch nicht das Marketing.

MUM: Hast du einen Lieblingssong auf dem Album?

B: Ja, habe ich, das ist “Don’t Sell Me Short”.

MUM: Warum?

B: Weil ich den Text so sehr mag und das Stück wie die Quintessenz des Bad Religion-Punkrocks ist. Es ist ein schnellerer Song und mir gefällt die Melodie auch sehr gut. Das ist ein sehr schön konstruierter Song für einen Gitarristen. Der Text ist auch ein kleinen Seitenhieb für die Leute, die meinen, dass unsere Zeit als Punkrock-Band abgelaufen ist. Er hätte auch gut auf “Suffer” oder “Against The Grain” sein können, aber dann hätte er natürlich anders geklungen als jetzt. Ich mag diesen Song wirklich sehr.

MUM: Wo du die Zeit gerade ansprichst, meinst du, dass ihr auch jetzt nach 20 Jahren noch lange weitermachen werdet und irgendwann wie die Rolling Stones des Punkrock als Opas auf der Bühne steht?

B: Ich weiß das nicht. Das fragt man uns seit vielen Jahren, und die Antwort ist immer die gleiche. Ich mache das so lange, wie es mir Spaß macht und den Leuten wichtig ist. Ich habe aber kein Interesse daran, ein Zirkusartist zu sein, der zehn Jahre lang herumtingelt, um 500 Dollar zu verdienen, das wäre es mir nicht wert. Aber noch ist alles frisch und wichtig, und ich mache so lange weiter, bis es dies nicht mehr ist.

MUM: Wenn du an all die Jahre zurückdenkst, gab es je eine Zeit, wo ihr nicht so gut miteinander ausgekommen seid und vielleicht mal darüber nachgedacht habt, euch aufzulösen?

B: Ja, vor vielen, vielen Jahren, so 1983 oder 1984, gab es mal eine solche Situation, wo die halbe Band ausgestiegen ist, weil Greg Graffin alleine Bad Religion gemacht hat und alle anderen daran so gut wie nicht beteiligt waren. Da waren wir aber alle noch Teenager und wurden wütend, wenn jemand vergessen hat, das bestellte Bier zu bringen. Das hat sich aber gelegt. Nein, ansonsten gab es nie einen wirklichen Riss in der Band. Als Brett 1994 ausgestiegen ist, das war schon schrecklich für uns, aber alles hat sich ja so gefügt, wie man es heute sieht.

MUM: Ihr habt ja sicher fast überall auf der Welt schon gespielt. Gibt es einen Ort, wo es dir am meisten Spaß macht?

B: Ich finde es in Südamerika toll. Dort fahren wir erst seit drei Jahren überhaupt hin, und da ist nicht nur die Landschaft sehr schön, die Leute sind wahnsinnig enthusiastisch, vielleicht auch, weil wir 17 Jahre gewartet haben, bevor wir dorthin gekommen sind. Und ohne jetzt eure europäischen Ärsche zu küssen, ich muss sagen, dass Hamburg immer mein Lieblingskonzert in Deutschland ist, da ist es immer toll, die Leute sind dort völlig verrückt. In den Docks möchte ich immer spielen, wenn wir dort sind, ich weiß auch nicht, warum das immer so viel Spaß macht. Vielleicht, weil es eine Hafenstadt ist, keine Ahnung.

MUM: Gibt es Pläne, europäische Festivals im Sommer zu spielen?

B: Ja, die gibt es, aber ich kann dir leider nicht sagen, welche. Unser Booking-Manager ist ein Deutscher, und er ist immer wach, wenn wir schlafen, und umgekehrt, so weiß ich gar nicht, was Stand der Dinge ist. Wir werden aber sicher einige Festivals spielen, letztes Jahr haben wir darauf völlig verzichtet. Ich denke, es ist an der Zeit, dies wieder zu tun.

MUM: Gibt es junge Bands, die du magst?

B: Da gibt es eine, die heißt 22 Jacks, das ist eine sehr gute Band.

MUM: Was machen die für Musik, ist das auch Punkrock?

B: Es ist nicht wirklich Punkrock, schwer zu beschreiben, vielleicht eine Mischung aus Punk und Elvis Costello. Down By Law mag ich ebenfalls sehr, da spielt auch ein guter Freund von mir mit. Die neueste Scheibe von ihnen ist um Längen besser als die vorigen, klingt etwas nach Buzzcocks. Ich persönlich höre aber am liebsten Country-Musik aus dem 20. Jahrhundert, George Jones uns solche Sachen.

MUM: Was hältst du von Bands wie MxPx oder I Against I, die Punkrock machen, der sicher von euch stark beeinflusst ist?

B: Ich bin stolz, ein Einfluss zu sein. I Against I kenne ich nicht, mit MxPx haben wir aber schon oft zusammen gespielt und ich mag sie sehr, sie machen das schon alles sehr gut. Das ist aber keine Musik, die ich mir zuhause anhören würde.

MUM: Ihr habt ja weltweit schon mehr erreicht als die meisten anderen Punkrock-Bands. Hast du immer noch Ziele?

B: Nicht in der Beziehung, dass ich ein Einfluss für jemanden sein will, das habe ich auch nie versucht. Ich will weiter Musik machen, die mir wichtig ist und bei der ich Spaß habe.

MUM: Du hast also keine Ziele, an diesem oder jedem Ort mal zu spielen, oder so und so viele Platten zu verkaufen.

B: Klar, ich will immer noch die Welt erobern, aber nicht mit Plattenverkäufen. Ich würde gerne noch an Orten spielen, an denen ich noch nie war, in Island zum Beispiel, in China, oder in der früheren Sowjetunion. Mir geht es ja nicht nur um Musik, nein, das alles gibt mir die Gelegenheit, um die Welt zu reisen, verschiedene Leute zu treffen, verschiedene Kulturen kennen zu lernen.

MUM: Vielen Dank für das Interview.

_____________________

MUM: Mucke und mehr
B: Brian Baker von Bad Religion

Related Articles