Seit langem bereits gehören Cause & Effect aus den USA zu den Insidertips der Synthiepopszene. Nach einem grandiosen Debütalbum gleichen Namens und einigen Erfolgen mit Singles wie “You Think You Know Her” starb Mastermind Sean Rowley an einem Asthmaanfall. Sänger Robert Rowe entschloß sich, die Band mit zwei neuen Musikern weiterzuführen, und er schaffte es, ein gutes Nachfolgealbum “Trip” auf den Markt zu bringen, das den Flair, der die Musik Cause & Effects ausmacht, nicht vermissen ließ, auch wenn es nicht ganz an das Debüt herankommen konnte.
Die Melodik konnte wieder überzeugen, Robs Stimme ist sowieso überragend, und die Produktion war ebenfalls gelungen. Kompositorisch sah man, daß Rob viel von Sean gelernt hatte, klanglich lag man noch im Synthiepop, komplettierte diesen aber durch einige akustische Instrumente. Einige Jahre sind seitdem ins Land gegangen, die Band trennte sich vom Major Zoo Records und gründete ihr eigenes Label Liquefaction, und endlich ist es da, das neue Album “Innermost Station”, das reifer klingt und wieder gut. Grund genug, ein Interview mit Robert Rowe zu führen.
“Elektronische Musik kriecht langsam aus dem Untergrund nach oben, aber ich denke nicht, daß sie je den größten Stellenwert in den Staaten einnehmen wird.”
MUM: Ihr habt einen Major verlassen und Euer eigenes label gegründet. Warum?
R: Wir waren unglücklich darüber, wie die Dinge mit Zoo, woraus Volcano wurde, gelaufen sind, also haben wir uns entschlossen, mit Liquefaction eine Partnerschaft einzugehen und zu sehen, wie das dann läuft. Wir wollen im Endeffekt auf einem anderen Label zuhause sein, aber wir wollen erst einmal das Gefühl bekommen, daß wir auch ohne ein Label überleben können.
MUM: Glaubt Ihr, daß Ihr so genauso viele Leute erreichen könnt, mit einem Indiependent-Label?
R: Nein, sicher nicht, aber wir erreichen unsere eingefleischten Fans, weil diese nach unserer Musik suchen. Das sind die Leute, die uns am Herzen liegen. Wir wollen diesmal nicht auf MTV zu sehen sein, und auch im Radio werden wir aufgrund einiger Auflagen nicht oft zu hören sein, aber das sind Dinge, die sich nicht auf die Musik beziehen, sondern auf Verkaufsmaßnahmen. Im Endeffekt zählt für uns nur die Musik, sie wird länger andauern als ein MTV- oder Radiotrend.
MUM: “Innermost Station” ist etwas kurz, was die Spielzeit angeht. Warum habt Ihr nicht noch ein paar Songs mehr auf die Scheibe gepackt?
R: Eigentlich sollte es nur eine EP mit sechs Tracks werden, aber wir hatten dann zu viele Songs zur Wahl, also entschlossen wir uns, alles einzuspielen, was wir in der Zeit geschafft haben. Hätten wir mehr ausgearbeitet, dann wäre das Album länger geworden, das nächste wird es sicher sein. Wir haben immer noch rund 20 Songs fertig komponiert, die auf eine Veröffentlichung warten.
MUM: Wenn Du dieses Album mit “Trip” vergleichst, wo siehst Du die Hauptunterschiede?
R: Wir sind anders an die Songs herangegangen. Wir haben viel improvisiert und dadurch klingt alles lockerer. Wir haben uns entschieden, etwas organischer zu klingen, haben daher viele Drums live eingespielt, was wir zuvor nie getan haben. Das Album ist in jedem Fall weniger schnell als der Vorgänger, aber der Verlust an Energie durch Tempo macht nichts, da ich immer noch sehr viel Energie spüre, bloß eben woanders. Wir haben Elemente der Club-Musik benutzt, allerdings hierbei vermieden, zu viel nach Dance zu klingen. Wir möchten solche Musik auch nicht machen, fühlen uns dort nicht wohl, da wir in erster Linie Songwriter sind. Es geht uns um den Song, nicht darum, ob man danach tanzen kann.
MUM: Wie würdest Du denn Euren Stil auf der neuen Scheibe beschreiben? Es ist irgendwie Pop, der auf Gitarre und Elektronik basiert, oder?
R: Ich weiß nicht, wie ich ihn beschreiben würde. Ich hoffe, er ist gut.
MUM: Was ist Dir beim Musikmachen am wichtigsten?
R: Musik hält mich fit. Ohne sie wäre ich unglaublich unglücklich. Für mich ist sie ein Weg, Dinge tief in mir drin auszudrücken, die ich sonst nicht auf andere Weise herauslassen könnte.
MUM: Was willst Du denn mit Deiner Musik ausdrücken?
R: Ich versuche nicht, etwas anderes als die Wahrheit zu vermitteln. Manchmal verstehe ich selbst nicht genau, was denn nun der Inhalt eines Songs ist, da sie tief aus mir kommen, einem Ort, den ich nicht gut kenne. Wenn dies passiert, dann bin ich nichts anderes als ein Werkzeug, das benutzt wird, um Wahrheiten ans Licht zu bringen. Ich setze mich nicht unter Druck, sondern lasse alles natürlich passieren, und dann analysiere ich es, um zu sehen, ob es sich lohnt, die Sache zu verarbeiten.
MUM: Sind immer noch Einflüsse von Sean in Eurer Musik zu hören?
R: Auf jeden Fall. Nicht mehr so sehr musikalisch, aber auf anderere Arten. Wir würden nie nach einer zweiten, besten Melodie suchen und ich stelle immer wieder beim Komponieren fest, daß ich dies tue.
MUM: Denkst Du noch oft an Sean oder hat die Zeit die Wunden geheilt?
R: Es gibt wohl keinen Tag, an dem ich nicht an ihn denke. Diese Wunden werden nie voll verheilen, aber ich bin inzwischen an dem Punkt, daß ich an ihn denken oder über ihn sprechen kann, ohne traurig zu werden. Alles geschieht aus irgendeinem Grund. Menschen leben aus irgendeinem Grund, und vielleicht hatte er seine Mission in diesem Leben erfüllt.
MUM: Wie bekannt sind Cause & Effect eigentlich in den Staaten? Wieviele Exemplare der Alben habt Ihr verkauft?
R: “Another Minute” (eine Neuauflage der selbstbetitelten Debütscheibe beim Major damals) verkaufte sich 300.000 mal, “Trip” rund 100.000 mal, trotz nur einer Single, bevor der Ärger mit Zoo losging. Wir sind nicht so bekannt, Amerika ist groß. Du kannst in einem Staat ein Star sein und im nächsten ein Straßenmusikant.
MUM: Letztes Mal, als ich Dich interviewt habe, sagtest Du, daß es nicht leicht sei, in den USA elektronische Musik zu machen, da jeder nur Grunge und Rock hören wolle, aber keinen Synthiepop. Wie sieht es heutzutage aus, hat sich da was verändert?
R: Im letzten Jahr hat sich etwas getan. Elektronische Musik kriecht langsam aus dem Untergrund nach oben, aber ich denke nicht, daß sie je den größten Stellenwert in den Staaten einnehmen wird. Ich finde das aber okay, weil so alles real und im Untergrund bleibt, wo die Fans wirklich noch nach unserer Musik suchen, anstatt dem Radio oder MTV abzunehmen, was cool ist.
MUM: Was hörst Du zuhause so für Musik?
R: Ich höre viele verschiedene Sachen. Ich mag gerade das Fat Boy Slim-Album sehr, das ist richtig cool. Und ich liebe Radiohead, für mich die beste Band der Welt, als Künstler stehen sie über allem anderen da draußen. “OK Computer” ist ein Meisterwerk. Fluke und Underworld gehören ebenfalls zu meinen Favoriten, keine groovt wie Fluke. Ich habe sie letztens in einem kleinen Club vor nur 50 Leuten gesehen und konnte danach mindestens drei Wochen nicht aufhören, “Atom Bomb” zu singen. Ich könnte das Tag und Nacht tun.
MUM: Erzähl uns doch mal etwas über den Privatmensch Rob, was machst Du so?
R: Also ich lebe momentan in Seattle, der schönsten Stadt in den USA. Ich war der erste Musiker, der hierher zog, um aus einem Schallplattenvertrag herauszukommen, alle anderen, die herkommen, wollen einem haben. Ich gucke nicht viel Fernsehen, versuche das jedenfalls. “South Park” und “The Simpsons” sind witzige Serien, die ich mal anschaue, lieber aber noch Filme. Meine Lieblingsschauspielerin ist Parker Posey, kennst Du sie? Sie spielt fast in jedem Indiependent-Film mit, der herauskommt. Sie ist die Königin des Sundance Film Festivals.
MUM: Zurück zur Musik. Welches ist Dein Lieblingstrack auf dem neuen Album? Meine sind “Real?” und “She’s So Gone”.
R: Ich mag “Mars” sehr, weil er so anders ist als alles, was wir je gemacht haben. Als ich den Track geschrieben habe, da kam er aus diesem mysteriösen Ort in mir. Auch “She’s So Gone” und “Overdose” mag ich sehr. Letzterer berührt mich immer noch emotionell, was nicht sehr oft bei eigener Musik passiert, weil man ihr zu nahe ist.
MUM: Ich finde, der Opener “Eclipse” ist … sorry … der langweiligste Track auf der Scheibe, ohne unbedingt schlecht zu sein, ich mag sie schließlich alle, diesen aber am wenigsten. Warum steht gerade dieser Track am Anfang?
R: Man kann es nicht allen rechtmachen. Wir hielten ihn für einen guten Einstieg, da er über einen Neuanfang handelt, und den machen wir ja mit diesem Album. Zoo wollte immer die Single an erster Stelle, und erstmals mußten wir uns nach niemandem richten und haben die Reihenfolge selbst festgelegt. Schade, daß Du sie nicht magst.
MUM: Was ist in nächster Zeit von Euch zu erwarten?
R: Dieses Jahr wollen wir noch auf US-Tour gehen. Ich arbeite nebenher natürlich weiter an neuem Material, obwohl wir jetzt schon genug haben, um weitere zwei Innermost Stations zu machen. Wenn wir also bereit sind, sie aufzunehmen, dann gehen wir ins Studio, ohne zu zögern. Wir wollen nicht wieder drei Jahre zwischen diesem und dem nächsten Album haben.
MUM: Gibt es eigentlich europäische Labels, die sich für Eure Musik interessiert haben?
R: Da waren ein paar, die Interesse hatten, aber es war nie das Richtige für uns dabei. Wir werden das Album aber wahrscheinlich noch bei einem europäischen Label lizensieren in naher Zukunft.
MUM: Sag uns noch rasch Deine drei Lieblingsplatten aller Zeiten.
R: Morgen könnten es andere sein als heute, aber gut: The Smiths – “Strangeways Here We Come”, Radiohead – “OK Computer” und Catherine Wheel – “Cats & Dogs”.
MUM: Was war das Beste für Dich in 1997, was der Tiefpunkt?
R: Das Beste war, mit dem Album wieder zum Indiependent-Status zurückzukehren. 1997 war ein gutes Jahr für uns, mir fällt kein schlechtester Punkt ein. Vielleicht, daß uns die sauberen Socken ausgegangen sind.
MUM: Wenn Du … alte Frage … drei Sachen mit auf eine einsame Insel nehmen könntest, was wäre es?
R: Meine Gitarre, ein Stift und Papier. Oder Parker Posey, eine schöne Flasche Rotwein und einige frische Früchte.
MUM: Okay, mit der letzten Frage noch einmal zurück zur Musik. Wenn Du Dir heute Euer Debüt anhörst, was denkst Du? Für mich ist dies übrigens immer noch eines meiner Lieblingsalben und ich schleppe es auf jede noch so kurze reise mit, rund um den Globus.
R: Ehrlich gesagt habe ich es mir bestimmt seit drei Jahren nicht angehört, aber ich erinnere mich, daß ich immer dachte, daß es für zwei verrückte Typen aus Sacramento gar nicht mal so übel war. Ich glaube, für einen Künstler ist es immer schwer, alte Werke zu beurteilen, weil sie nicht mehr Besatndteil des Lebens sind, das man gerade führt. Man hat sich weiterentwickelt. Wenn man seine eigene Musik hört, dann ist da nicht mehr viel Geheimnisvolles, da man in jedem Punkt der Entstehung dabei war. Es ist aber das geheimnisvolle, was den Reiz ausmacht, also höre ich lieber andere Bands, die mir gefallen.
_____________________
MUM: Mucke und mehr
R: Robert Rowe von Cause & Effect