Home Film “Aftersun” – eine rückblickend doch nicht ganz unbeschwerte Vater-Tochter-Beziehung

“Aftersun” – eine rückblickend doch nicht ganz unbeschwerte Vater-Tochter-Beziehung

Autor: Tobi

"Aftersun" Filmplakat (© Mubi)

Aftersun

Darsteller: Frankie Corio, Paul Mescal, Celia Rowlson-Hall, Brooklyn Toulson
Regie: Charlotte Wells
Dauer: 98 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Facebook: facebook.com/mubi


Nach mehreren preisgekrönten Kurzfilmen legt die schottische Drehbuchautorin und Regisseurin Charlotte Wells mit “Aftersun” ihr Langfilmdebüt vor. Dieses konzentriert sich voll auf eine besondere Vater-Tochter-Beziehung, auf die die inzwischen 31-jährige Sophie (Celia Rowlson-Hall) zurück blickt – größtenteils anhand von alten Videoaufnahmen aus einem gemeinsamen Urlaub, den sie als Elfjährige (Frankie Corio) mit ihrem Vater Calum (Paul Mescal) in einem typischen Ferienclub an der türkischen Riviera verbrachte.

Der Film fusioniert Ausschnitte des Amateur-Videomaterials mit Erinnerungen Sophies, und es wirkt ebenso vertraut wie liebevoll, wie die beiden den Urlaub miteinander erleben, fast wie beste Freunde, die Spaß zusammen haben, Schwimmen, Billard spielen und die Gegend erkunden. Ist der Vater mal nicht dabei, stößt Sophie auf gleichaltrige oder auch etwas ältere Jugendliche, ob es der sie heimlich anhimmelnde, aber doch recht schüchterne Junge im Spielsalon ist, der im Motorrad-Videospiel gerne gegen sie antritt, oder die etwas älteren Jungs, die auf Coolness setzen und natürlich so ihren Reiz auf die Heranwachsende ausüben, die sich dann auch direkt weniger kindlich zu geben versucht.

Die mit Sophies damals neuem Camcorder festgehaltenen Aufnahmen vermitteln viel Freude, aber mit all den Jahren Abstand entdeckt sie nun doch auch einiges an Melancholie im Verhalten des Vaters, der damals als 30-Jähriger von ihrer Mutter getrennt in London lebte und die bei seiner Ex in Edinburgh gebliebene Tochter daher viel zu selten sah. Und für jeden Spaß war der Vater damals dann doch nicht zu haben, der nicht beim Karaoke mit auf die Bühne wollte oder nach ihrem Einschlafen einsam auf dem Balkon tanzte.

"Aftersun" Szenenbild (© Sarah Makharine)

(© Sarah Makharine)

Mit “Aftersun” legt Charlotte Wells feines Arthouse-Kino vor, das uns mit einiger Nostalgie und gut ausgewählter Musik mit zurück nimmt ans Ende der 90er-Jahre, von Kameramann Gregory Oke stark eingefangen in der Mischung aus Videokamera und mit besonderen Farben und Winkeln versehenen Erinnerungen.

Die absolute Entdeckung Frankie Corio und der evtl. bereits aus der TV-Serie “Normal People” oder dem Rolling-Stones-Musikvideo zu “Scarlet” bekannte Paul Mescal spielen beide sehr gut und man nimmt ihnen das Vater-Tochter-Verhältnis komplett ab, welches meist so fröhlich und harmonisch aussieht, rückblickend aber doch auch einiges an Melancholie erzeugt.

Interessanterweise lässt uns der Film einiges an Spielraum für Interpretationen, vor allem über die Figur des Calum, der so herrlich locker sein konnte, aber – ob nun beim Teppichhändler oder in der Tauchszene – manchmal seiner Tochter auch Rätsel aufgab. Zudem werden immer wieder Szenen aus einer Disco eingespielt, wo der Vater im Stroboskoplicht anscheinend völlig fern seines normalen Wesens tanzt, von Sophie erstaunt und ängstlich beobachtet.

Bei seiner seine Weltpremiere bei den Internationalen Filmfestspielen in Cannes wurde “Aftersun” mit dem französischen Touch-Jury-Preis in der Cannes Critics’ Week 2022 ausgezeichnet, und weitere Festivalauftritte wie auch Auszeichnungen folgten, so auch beim Filmfest München der CineVision Award für den “Besten Nachwuchsfilm”. Ein durchaus besonderer Film, da er bei aller Ruhe trotzdem intensiv wirkt und auch Stimmungen erzeugt, für die er gar keine Bilder parat hat.

Trailer:

Bewertung: 7 von 10 Punkten

 

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