Home Film “Evil Does Not Exist” – Ryūsuke Hamaguchi widmet sich der Schönheit und Bedrohung der Natur

“Evil Does Not Exist” – Ryūsuke Hamaguchi widmet sich der Schönheit und Bedrohung der Natur

Autor: Tobi

"Evil Does Not Exist" Filmplakat (© Pandora Film)

Evil Does Not Exist

Darsteller: Hitoshi Omika, Ryo Nishikawa, Ryuji Kosaka, Ayaka Shibutani
Regie: Ryusuke Hamaguchi
Dauer: 106 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: evil-does-not-exist.pandora.film
Facebook: facebook.com/pandorafilm
Kinostart: 18. April 2024


Nicht erst seit Ryūsuke Hamaguchi mit dem Drama “Drive My Car” (2021) den Oscar® in der Kategorie “Bester internationaler Film” wie auch zuvor den Golden Globe für “Bester fremdsprachiger Film” gewann gilt er als einer der angesehensten und wichtigsten japanischen Filmemacher unserer Zeit. Auch mit dem vorher im gleichen Jahr veröffentlichten, bei uns aber erst im September 2022 in die Lichtspielhäuser gekommenen Episodenfilm “Das Glücksrad” sorgte er schon für internationale Furore, gewann z.B. bei der Berlinale 2021 den Großen Preis der Jury. Mit “Evil Does Not Exist” legt der 45-Jährige nun sein neuestes Werk vor, und auch dieses wurde bereits mehrfach ausgezeichnet, u.a. bei den Filmfestspielen von Venedig mit dem Silbernen Löwen (Preis der Grand Jury) sowie dem renommierten Fipresci-Preis und beim BFI London Film Festival mit dem Best Film Award.

Der Streifen nimmt uns mit in die Nähe von Tokio, wo der naturverbundene Takumi (Hitoshi Omika) im Dorf Mizubiki fernab jeden Großstadttrubels ein lokales Nudelrestaurant mit sauberem, mühevoll mit der Kelle in Kanister geschöpftem, reinem Quellwasser aus den Wäldern beliefert. Inmitten der Bäume und Wiesen entgleitet Takumi hierbei allerdings immer wieder mal das Zeitgefühl, so dass es nicht selten vorkommt, dass er als alleinerziehender Vater seine neunjährige Tochter Hana (Ryo Nishikawa) zu spät aus der Schule abholt und sie sich daher schon auf den nicht allzu kurzen Fußmarsch durch den Wald nach Hause begeben hat, leben die beiden doch abgeschieden.

Ein bisschen mulmig kann einem schon werden, wenn man Hana anscheinend ohne jede Furcht alleine über einsame Felder und Waldwege flanieren sieht, aber das Böse scheint es hier dem Titel entsprechend nicht zu geben. Und doch steht es vor der Tür, in Form eines Real-Estate-Unternehmens aus Tokio, das die Ruhe und Natur als Verkaufsargument nutzen möchte und daher plant, eine Glamping-Anlage am Ortsrand zu errichten. Die Pläne liegen vor und werden in einer Versammlung mit den Bürgern noch einmal von den hierfür abgesandten Firmenvertretern Mayuzumi (Ayaka Shibutani) und Takahashi (Ryuji Kosaka) vorgestellt. Diese scheinen überrascht, dass sie auf Widerstand und kritische Fragen stoßen, mal sachlich wie von Takumi zur vermutbaren Verschmutzung des Grundwassers, mal aufgebracht wie vom am ehesten mit einem Dorfpunk zu vergleichenden jungen Mann.

So richtig vom Fach in Sachen der Folgen ihres Luxus-Campingplatzes scheinen Mayuzumi und Takahashi nicht, und so bitten sie Takumi, ihnen mehr vom örtlichen Leben zu zeigen – mit dem Hintergedanken, ihn ins Projekt einzubinden als Hausmeister der Glamping-Anlage. Also lädt sie Takumi zu sich nach Hause ein, und nach und nach kommt auch das vom geldgierigen, skrupellosen Chef geschickte Duo ins Grübeln, über die Richtigkeit ihres Projekts und das eigene Leben.

"Evil Does Not Exist" Szenenbild (© Pandora Film / NEOPA, Fictive)

Takumi (Hitoshi Omika) und seine Tochter Hana (Ryo Nishikawa) leben nahe Tokio im Dorf Mizubiki ein Leben im Einklang mit der Natur.
(© Pandora Film / NEOPA, Fictive)

In einem längeren Dialog auf der Autofahrt von Tokio nach Mizubiki zeigt uns Ryūsuke Hamaguchi diese Zweifel, so wie er sich generell viel Zeit lässt in den oft ungewöhnlichen Einstellungen seines neuen Films. Da sehen wir Takumi minutenlang beim Wasserschöpfen oder beim Holzhacken, und ganz zu Beginn wird erst einmal ein Waldpfad durchschritten, nach oben in die Wipfel blickend, ganz langsam und ohne jede Hetze, so wie es hier auf dem Land halt zugeht, konträr zur Großstadthektik. Hierzu erklingt immer eindringlicher werdende Musik der japanischen Komponistin Eiko Ishibashi, die bereits für den Score von “Drive My Car” verantwortlich war.

Eigentlich war “Evil Does Not Exist” gar nicht als Spielfilm gedacht, wollte Hamaguchi doch zunächst nur eine halbe Stunde Bilder für eine Performance zu neuer Musik Ishibashis liefern. Nun liegt doch ein Film vor und die Musik ist ein wichtiger Teil von ihm, wobei Hamaguchi sie sich zwar behutlich entfalten lässt, dann aber doch für radikale Brüche sorgt, wenn sie hin und wieder gnadenlos abgewürgt wird, weit mehr noch als die Bebilderung.

“Evil Does Not Exist” mutet poetisch an und plädiert für eine Erhaltung der Natur und gegen Übergriffigkeit aus Ecken profitgieriger Unternehmen. Die Schönheit von Wald, Bach und Wiesen wird gezeigt, und doch kann man bei zu viel Schwelgen oder über Diskussionen des anstehenden Projekts auch mal die vergessen, um die es nicht sofort, aber bald schon geht – den Nachwuchs. Dies mündet in einem drastischen Finale, das einen etwas ratlos zurück lässt. So lässt sich “Evil Does Not Exist” zwar gut anschauen, ist aber weit weniger einfach zugänglich wie seine erfolgreichen Vorgänger.

Trailer:

Bewertung: 6 von 10 Punkten

 

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