Home Film “Nico, 1988” – ein beeindruckendes Portrait der letzten Lebensjahre von Christa Päffgen

“Nico, 1988” – ein beeindruckendes Portrait der letzten Lebensjahre von Christa Päffgen

Autor: Tobi

"Nico, 1988" Filmplakat

Nico, 1988

Darsteller: Trine Dyrholm, John Gordon Sinclair, Anamaria Marinca, Sandor Funtek
Regie: Susanna Nicchiarelli
Dauer: 93 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Website: www.filmkinotext.de/nico-1988.html


“Nico, 1988” feierte seine Weltpremiere auf den Internationen Filmfestspielen Venedig 2017 als Eröffnungsfilm der Sektion “Horizonte” und wurde mit dem Orizzonti Award für den besten Film ausgezeichnet. Beim italienischen Filmpreis David di Donatello konnte dre Streifen Preise für Bestes Drehbuch, Besten Sound, Bestes Make-up und Bestes Hair-Design abräumen. Am 18. Juli 2018, dem 30. Todestag von Christa Päffgen, startet das beeindruckende Portrait der Künstlerin nun auch bei uns im Kino, die unter dem Namen Nico bekannt wurde und am Ende doch nicht als solche gesehen werden wollte.

Regisseurin Susanne Nicchiarelli setzt da an, wo Nico ihre Glanzzeiten längst hinter sich hatte. Die 1938 in Köln geborene Christa galt in den 50er-Jahren als erstes deutsches Supermodel, wurde Schauspielerin und war die Muse von Künstler Andy Warhol. Dieser brachte sie mit Lou Reeds Band The Velvet Underground zusammen und produzierte 1967 das gemeinsame Debütalbum “The Velvet Underground & Nico”, auf dem Päffgen zwar nur drei Lieder singen durfte, aber ihre tiefe, dunkle Stimme prägte die Scheibe entscheidend mit. Nico und Reed gingen fortan getrennte Wege, sie startete eine Solo-Karriere. 1968 ermutigte Doors-Sänger Jim Morrison Nico, eigene Stücke zu schreiben, sich in der Musik zu verwirklichen.

Das tat sie, und auch wenn es ihr nicht mehr die große Aufmerksamkeit von Massen einbrachte, wurde sie in der Szene stets geliebt und ihre Konzerte waren spektakulär. Der Film zeigt uns Nico (Trine Dyrholm) Mitte der 80er-Jahre, als sie zusammen mit ihrem Manager Richard (John Gordon Sinclair) und einer aus musikalischen Amateuren zusammen gesetzten Band durch Europa tingelt, um hier und dort vor kleinen, aber begeisterten Fanscharen aufzutreten und Radio-Interviews zu geben, in denen sie immer wieder darauf hinweist, dass sie nicht über die Zeit in Velvet Underground sprechen möchte, sondern über sich als Solo-Künstlerin.

Nico ist noch da, aber irgendwie auch gescheitert. Heroinabhängig befindet sie sich auf einer Odyssee, die nicht im Glück enden kann, und doch gibt sie, die alles andere als lebenslustig daher kommt, nicht auf, es zu suchen, zumindest im Ansatz. Die Musik gibt ihr glückliche Momente, auch wenn die Exzentrikerin hin und wieder im Rausch oder Frust Auftritte abbricht oder das Publikum und die eigene Band anpöbelt. Aber wenn Nico singt und in ihre von Schwere triefenden Songs eintaucht, dann sind dies wunderbare Momente voller Tiefe und Schönheit.

Der Film handelt aber nicht nur von der Musikerin Nico, sondern auch von der gescheiterten Mutter. Auf Grund der Drogenprobleme schaffte sie es nie, sich angemessen um ihren 1962 geborenen Sohn Ari zu kümmern, dessen Vaterschaft Alain Delon bis heute abstreitet. Als dieser dann in jungen Jahren geprägt vom Partyleben, in das er stets mitgeschleppt wird, verhaltensauffällig wird, da sieht Nico ein, dass sie ihn nicht erziehen kann und lässt ihn bei der Großmutter. Später adoptiert der Mann von Delons Mutter das verstörte Kind und hält es von Nico fern. In Rückblicken erfahren wir von diesem Schmerz, der aber auch wieder mit Drogen bekämpft wurde. Ein furchtbarer Kreislauf, der Ari (Sandor Funtek) schließlich in eine Klinik brachte, und erst mit 19 Jahren kam es wieder zu engerem Kontakt mit der Mutter. Mitte der 80er nun sucht Nico die Nähe von Ari, integriert ihn als Fotografen in ihr Tourkonzept – und muss doch wieder erkennen, dass sie ihm nicht gut tut, auch wenn sie irgendwann mit Methadon versucht, vom Heroin weg zu kommen.

Susanna Nicchiarelli hat ein sehr intensives und äußerst interessantes Portrait erschaffen, das davon profitiert, dass die dänische Schauspielerin und Sängerin Trine Dyrholm darin aufgeht, Nico zu verkörpern. Sie spielt umwerfend, singt auch alle Songs im Film selbst und klingt dabei wie Nico. Deren Stimme war sicher nie die beste, aber die Intensität und der Lebensschmerz, die Nicos düstere Songs prägen, sind schon beeindruckend. Der Film ist somit nicht nur für frühere Bewunderer von Christa Päffgen oder Fans von Velvet Underground reizvoll, sondern für alle, die sich für Portraits interessanter Künstler begeistern können.

Trailer:

Bewertung: 9 von 10 Punkten

 

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