Home MusikCD-Rezensionen Badly Drawn Boy veröffentlicht nach zehn Jahren Problembewältigung ein neues, überzeugendes Album

Badly Drawn Boy veröffentlicht nach zehn Jahren Problembewältigung ein neues, überzeugendes Album

Autor: Tobi

Badly Drawn Boy "Banana Skin Shoes"

Badly Drawn Boy

“Banana Skin Shoes”

(CD, One Last Fruit, 2020)

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2000 war es, als Badly Drawn Boy sein Debüt “The Hour of Bewilderbeast” veröffentlichte. Wenn 2020 also das 20-jährige Album-Jubiläum des Musikprojekts von Damon Gough bedeutet, dann ist dies nicht die Besonderheit, sondern das Erscheinen eines neuen Longplayers an sich. Nachdem 2002 mit dem Soundtrack zur Nick-Hornby-Verfilmung “About A Boy” und “Have You Fed The Fish?” gleich zwei UK-Top-Ten-Scheiben erschienen und es auch zwei Jahre später mit “One Plus One Is One” wieder in gleiche Chartregionen ging, musste sich “Born In The U.K.” 2006 mit Platz 17 begnügen. Nach den wenig beachteten Alben “Is There Nothing We Could Do?” (2009) und “It’s What I’m Thinking Pt.1 – Photographing Snowflakes” (2010) wurde es dann – abgesehen vom Soundtrack zu “Being Flynn” in 2012 – ruhig um Damon und es dauerte geschlagene zehn Jahre, bis nun mit “Banana Skin Shoes” wieder ein Studioalbum vorliegt.

Badly Drawn Boy - Damon Gough (Foto: © David Oldham)

(Foto: © David Oldham)

“Ich sage es echt nur ungern, dass es zehn Jahre waren”, erklärt Gough. “Schließlich klingt das ja nach: Wie faul war ich eigentlich?! Aber ich hab kein Problem damit, die ganze Wahrheit zu erzählen… wo sie doch so wichtig ist für das alles.”

Diese Wahrheit macht dann auch klar, dass Damon einige Täler durchschreiten musste, bevor er nun wieder da ist. 2012 setzte ihn seine langjährige Partnerin und Mutter seiner zwei älteren Kinder pünktlich zu Weihnachten vor die Tür, was dazu führte, dass sein Alkoholproblem und seine Depressionen immer größer wurden. Statt auf Entziehungskur und in Therapie zu gehen, ergab sich Gough dem Leid strickte aus dem Schlamassel einen Song. “I Just Wanna Wish You Happiness” ist als musikalischer Gruß an seine Ex auf dem neuen Album zu finden und berührt mit emotionaler Schönheit. “Ja, das ist hoffentlich der einzige Trennungssong, den ich in meinem Leben schreiben muss”, sagt er. “Aber das war sozusagen der Startschuss für mich.”

Der Musiker aus Manchester brauchte bis 2016, die Alkoholsucht in den Griff zu bekommen. “Das Trinken wurde besonders in den Phasen zur festen Gewohnheit, wenn ich in den letzten 20 Jahren gerade an einem Album arbeitete oder auf Tour war. In der Regel arbeitete ich dann nachts, ja, erst nach Mitternacht eigentlich. Ich hatte das Gefühl, in den Stunden die besten Ideen zu haben – wenn man schon ein paar Drinks intus hat und einfach locker ist dadurch. Und das hat ja auch funktioniert.” Irgendwann allerdings nicht mehr.

Mit Unterstützung einer Einrichtung in Kent und dem Rat und der Liebe einer Frau besiegte er die Sucht – und 2017 heiratete Gough erneut, hat seit Mai 2017 auch einen Sohn mit seiner neuen Frau. Die persönliche Entwicklung sei “ein großer Schritt in meinem Reifeprozess” gewesen, wie er sagt, so wie auch die Therapie. “Ich musste einfach noch viel erwachsener werden.”

Die 51 Minuten von “Banana Skin Shoes” eröffnet er mit dem Titelsong, und dieser kommt ungewohnt wild, beatlastig, groovy, funky und soulig daher – mit Botschaft: “It’s time to break free from this plaster cast and leave your past behind.” “It’s time to supersize your soul”, singt er hier auch optimistisch, ohne vergangene Schwächen zu leugnen: “I’ve slipped up here, so what am I gonna do about it?”

Mit “Is This A Dream?” geht es beschwingt weiter, nun allerdings wieder klarer im poppigen Songgerüst stehend und mit eingängigen Refrain ausgestattet. “I’m Not Sure What It Is” kommt dann getragener daher, aber auch mit packenden Bläser-Passagen, und für Gough selbst ist der Song ein Meilenstein, “so wie damals ‘Once Around The Block’. Ich hab zuletzt ein paar kleinere Konzerte gegeben, und ich spiele den Song einfach nur mit Klavierbegleitung – und das fühlt sich wie ein Standard an.”

Mit “Tony Wilson Said”, “I Need Someone To Trust”, “Colours” und “Fly On The Wall” gibt es weitere, bestens anhörbare Popsongs. “Ich würde sogar sagen, dass es das poppigste Album ist, das ich aufgenommen habe”, erklärt Gough. “Aber in diesem Pop-Gerüst will ich schon ein paar Dinge loswerden. Ich will versuchen, ganz subtil zu einem Gewissen für all jene zu werden, die vielleicht ähnlich denken wie ich – man kann Fanbase dazu sagen oder auch Gleichgesinnte oder Remoaner (= remain + moan) oder ganz wie man mag…”

“You And Me Against The World” ist eine sanfte Popnummer mit leichtem Latino-Vibe, “Note To Self” ist zurückhaltend angelegt, und auch “Funny Time Of Year” und “Appletree Boulevard” schmiegen sich etwas bedächtiger ins Ohr. Eine eindeutige Ballade findet man nicht, das auf Piano und Streicher setzende, schöne “Never Change” ist somit die ruhigste Nummer, und auch das abschließende “I’ll Do My Best” ist fernab jeder Hektik gestrickt.

Ein überzeugendes Comeback-Album, das Badly Drawn Boy mit mehreren Produzenten in verschiedenen Studios erarbeitet hat. Schon vor vier Jahren entstanden sechs der 14 Songs in nur acht Tagen mit dem Produzenten Youth. Nach dem Vaterschaftsurlaub ging es weiter und Damon arbeitete mit Keir Stewart zusammen, der früher Teil von The Durutti Column war, heute Goughs Nachbar ist und ein Homestudio hat. Und schließlich schlug er sein Lager in den Eve Studios in Stockport auf, wo er zusammen mit Gethin Pearson (Kele Okereke, Crystal Fighters) aus 20 Songskizzen jene 14 Stück herausfilterte, die zusammen nun eine Geschichte erzählen – seine Geschichte, sehr authentisch.

Mit Gastmusikern wie Johnny Abraham von Public Service Broadcasting, der für die Blechblasinstrumente verantwortlich war, Bassist Daniel Pugsley von Skindred und Davey Newington (aka Boy Azooga), der seine Schlagzeugparts in den legendären Monnow Valley Studios in Wales aufnahm, enstand ein überzeugendes Album. Trotz aller durchschrittenen Täler ist dieses positiv gestimmt. “Ich mache die Therapie seit nunmehr 12 Monaten, um meine Verhaltensmuster zu verändern. Es gibt Tage, an denen ich echt nicht klarkomme mit der Welt. Ich versuche, solche Dinge zu artikulieren, aber ich drehe dabei durch. Also versuche ich, das alles weniger als einen Kampf zu betrachten. Ich will kein abgekämpfter, Qualen erleidender Künstler mehr sein. Ich will das hier alles genießen.”

“Jeder Mensch hat eine Aufgabe. Und gerade in Zeiten wie diesen ist es wichtig, einfach etwas Positives beizutragen”, erklärt der wiedererstarkte Damon Gough. “Und wenn du etwas siehst, was Mist ist, dann lass es einfach liegen oder versuch, dir daraus nichts zu machen. So einfach ist es doch. Derselbe Gedanke steckt auch im Refrain von ‘I Need Someone To Trust’: ‘Bring it back, make me whole.’ Genau das will ich mit diesem Album zum Ausdruck bringen. Das ist mein Ansatz.”

www.badlydrawnboy.co.uk
facebook.com/badlydrawnboyofficial

Bewertung: 9 von 10 Punkten

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