Home MusikInterviews Red Flag zu ihrem Album “The Eagle And Child” (09/00)

Red Flag zu ihrem Album “The Eagle And Child” (09/00)

Autor: Tobi

Nur wenige amerikanische Bands aus dem Synthiepopbereich haben es geschafft, auch hierzulande einen gewissen Bekanntheitsgrad zu erlangen, Red Flag gehören mit Sicherheit dazu. Der Einstieg war hierbei etwas ungewöhnlich: das Debütalbum “Naive Art” aus dem Jahr 1989 verkaufte irgend ein Schlingel damals über Anzeigen in diversen Magazinen als Demotape zum neuen Depeche Mode-Album, und einige Songs ließen – was ja ein Kompliment ist – durchaus Zweifel im Raum, bis man heraus fand, was man hier als miese Tapekopie in den Händen hielt. Wie dem auch sei, seitdem kennt man Red Flag auch in unseren Gefilden, und nach Jahren, in denen sie ihr Dasein als Szenetipp auf Importbasis fristeten, veröffentlicht SPR seit 1994 die CDs der Brüder Chris und Mark Reynolds auch im deutschsprachigen Raum.

Das damalige Album “The Lighthouse” war nach “Naive Art”, dem Remixalbum “Naive Dance” und einer fetten Pause ein Comeback auf eigenen Füßen, hatte man mit Plan B Records doch nun ein eigenes Label ins Leben gerufen. “Ein großes Label wollte uns nicht, also entschieden wir und dafür, auch kein Interesse mehr zu zeigen und ein eigenes Label zu gründen. Wir haben nur eine Band, aber diese ist sehr talentiert”, scherzt Mark. Natürlich ist er sich aber auch bewusst, seither nicht mehr die Möglichkeiten zu haben, so viele Hörer zu erreichen wie vorher. “Ja, das ist unmöglich, dafür fehlt es an Verbindungen und finanziellen Mitteln, wie ein Major sie hat. Aber ich sterbe lieber auf beiden Beinen, als knieend zu leben.”

“The Lighthouse” klang damals anders, als man Red Flag kannte – experimenteller, sphärischer, kommerzieller (stellenweise etwas wie Enigma). Mit der nachfolgenden “EP” (1996), spätestens aber mit “Caveat Emptor” (1998) machte man jedoch deutlich schon wieder einen Schritt zurück zu kürzeren Titeln mit gewohnteren Synthiepopstrukturen. “Wir machen keine Schritte rückwärts. Die Welt ist rund, und wenn du weit genug reist, dann landest du wieder dort, wo du gestartet bist. Wir schreiben immer das, worauf wir gerade Lust haben, darum ist jede Platte anders. Aber wir überlassen es gerne dem Hörer, die Entwicklung der Band zu beurteilen, während wir über kommende Stücke nachdenken.”

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Mit “The Eagle And Child” veröffentlichten Red Flag vor kurzem ein neues Album, das die Band im typischen Gewand präsentiert, geprägt von weichen Sounds, eingängigen Melodien und einfach nur guten Songs. Red Flag klingen soft, selbst wenn die Stücke flott tanzbar sind und einzelne Klänge durchaus isoliert hart sein mögen – das Produkt ist stets beruhigend und schön. Angenehm, dass man bei den Reynold-Brothers wohl keine Angst zu haben braucht, auch sie könnten irgendwann in Crossover abgleiten – oder? “Veränderung ist die einzige Konstante im Universum. Unser momentaner Stil ist sehr von Rockmusik beeinflusst. Wir benutzen keine Gitarren, samplen sie auch nicht, aber wir haben jede Menge aggressive und verzerrte Samples, die wie Gitarren klingen, in unseren jüngsten Songs. Der für uns typische Sound ist das Ergebnis, wenn Chris und ich an einem Punkt ankommen, wo wir beide meinen, ein Song sei komplett. Das ist alles, keine Magie, nur harte Arbeit.” Die Ziele sind für Red Flag stets dieselben geblieben. “Wir suchen nach Perfektion. Man kommt näher, aber man erreicht sie nicht. Das ist es, was einen antreibt, immer besser zu werden.”

Mark umschreibt das, was er mit Musik und Texten ausdrücken will, folgendermaßen: “Meine persönliche Philosophie ist, dass Unabhängigkeit an erster Stelle steht. Ich nehme diesen Glauben mit jeder Platte mehr und mehr in mich auf. Um mich selbst zu zitieren: ‘I am one and they are many, they’re outnumbered’.” Thematisch ist die neue Scheibe auch nicht festgelegt, fand man doch auf “Caveat Emptor” mit dem Internet schon einen Schwerpunkt. “Das Internet ist gut. Vor allem ist es ein Medium, das Informationen verbreitet. Man findet im Netz zwar jede Menge Sachen, die nicht stimmen, aber wenn man will, dann hat man auch Zugriff auf die absolute Wahrheit.” Auf Napster ist Mark allerdings nicht gut zu sprechen. “Napster bittet nicht um Erlaubnis, um deine Songs zu kopieren. Wenn du etwas ohne Erlaubnis entwendest, dann bist du ein Dieb. Ende der Diskussion.”

Man kann nur hoffen, dass Red Flag, wo sie doch nun bereits sechs Jahre lang auch in Deutschland veröffentlicht werden, auch persönlich mal den Weg über den Ozean finden, um einige Konzerte hierzulande zu spielen. Mark ist zuversichtlich, dass dies 2001 so sein wird, und fügt an: “Ich war schon in Deutschland, und mir gefiel es sehr gut dort. Ihr habt großartiges Bier!”

 

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