Home MusikInterviews The Twins im Interview zu ihrem Comeback-Album nach 25 Jahren Pause (06/18)

The Twins im Interview zu ihrem Comeback-Album nach 25 Jahren Pause (06/18)

Autor: Tobi

In den 80er-Jahren feierte das Synthiepop-Duo The Twins einige Hits wie “Ballet Dancer”, “Love System”. Nun legen Sven Dohrow und Ronny Schreinzer mit “Living For The Future” (lies unsere Rezension hier) überraschend nach 25 Jahren Pause ein Album mit neuen Songs vor, und parallel dazu veröffentlicht Sven zudem das Buch “Die Abenteuer der Twins”, in dem er auf die alten Tage zurück blickt. Wir stellten den Jungs hierzu einige Fragen.

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“Es war jetzt einfach an der Zeit und hat schon deshalb gepasst, weil seit 2016 eine wirklich kreative und passende Phase mit vielen guten Titeln bei uns da war, was in den Jahren davor eher nicht so der Fall war.”

MUM: Euer letztes Album “The Impossible Dream” stammt aus dem Jahr 1993. Was gab den Ausschlag, dass ihr nun nach 25 Jahren ein neues Album aufgenommen habt?

Ronny: Wir waren immer der Meinung, dass man nicht krampfhaft ein neues Album machen sollte, weil‘s mal wieder Zeit ist, sondern nur dann, wenn man wirklich Lust darauf hat und, wenn man etwas zu sagen hat. Im Vorfeld haben wir dann außerdem den Entschluss gefasst, eben nicht zu versuchen, die Twins-Musik der 80er und 90er zu kopieren, sondern von Anfang an in eine zeitgemäßere Richtung zu komponieren. Das fiel uns dann auch nicht wirklich schwer, da wir uns im Laufe der Zeit weiterentwickelt haben. Da wir unsere Wurzeln jedoch noch nie verleugnen konnten, kam der Twins-Sound bzw. -Stil von ganz allein.

Sven: Oft ist es ja auch eine Frage des guten persönlichen Gefühls, es genau zum richtigen Zeitpunkt zu machen. Natürlich war auch die Nachfrage für so etwas bei den vielen Twins-Fans im In- und Ausland schon seit mehreren Jahren da.

MUM: Ihr seid in der Zwischenzeit ja auch immer wieder mal live aufgetreten, habt 2005 ja auch das Album “Live in Sweden” veröffentlicht. Wieso war da nicht viel früher die Lust, wieder zusammen Songs aufzunehmen?

Sven: Nachdem wir vor fast 20 Jahren unsere Zusammenarbeit mit den Meisel Verlagen/Monopol als eigenes Passion Factory Label gemacht haben, hatten wir immer wieder Neuauflagen von bisherigen Alben oder, wie beim 2011er Album, Neuaufnahmen schon bestehender Titel eingebracht. Es war jetzt einfach an der Zeit und hat schon deshalb gepasst, weil seit 2016 eine wirklich kreative und passende Phase mit vielen guten Titeln bei uns da war, was in den Jahren davor eher nicht so der Fall war.

MUM: Einigermaßen parallel erscheint das Buch “Die Abenteuer der Twins – Electronic Pop in den 80er Jahren” von dir, Sven. War dies auch ein Anstoß für neue Musik.

Sven: Nein. Lange vor diesem Buch gab es von mir eine Art Internet-Veröffentlichung über die Twins-Geschichte in Auszügen, allerdings mit erheblicher Fan-Resonanz. Mehr und mehr hat sich dann bei mir der Gedanke in den Vordergrund gespielt, daraus irgendwann ein komplettes Werk zu machen. Allerdings war ich von 2010 bis zur Veröffentlichung 2014 mit einem Golfbuch beschäftigt, das unter dem Namen “Großes Golf – der Moderne Schwung” beim Heel-Verlag erschienen ist und auf sensationelle Resonanz bei vielen Amateurgolfern gestoßen ist. Ein Jahr, nachdem diese Arbeit abgeschlossen war, kam ich dann dazu, dieses Twins-Buch zu beginnen, was sich zudem, gespickt mit Insiderwissen, logischerweise auch mit den ‘immer so verklärten 80er Jahren’ beschäftigt. Es gab dabei einen interessanten Nebeneffekt: Es hat mir die Jahre von 1971-1989, die in meiner Erinnerung längst versandet waren, wieder lebhaft zurückgebracht. Ein echter Gewinn an Lebenszeit. Außerdem waren da noch so viele private Fotos von Ronny und mir in der Schatulle, die den Fans einfach mal gezeigt werden mussten. Aber ich kann versichern: Es war ein Haufen Arbeit, dieses Buch fertigzustellen und ich habe, zumindest seit Ende 2016, wirklich fast jeden Tag damit zugebracht. Hoffentlich gefällt’s.

MUM: “Living For The Future” klingt nach einem zukunftsweisenden Titel – wollt ihr damit ausdrücken, dass es weitergehen soll mit der Band?

Ronny: Ja, aber wir lassen alles Weitere erst mal auf uns zu kommen.

Sven: Natürlich soll es weitergehen. Mit Ronny Twins-Musik auf Schallplatten oder live zu machen, ist einfach das, was ich mir am liebsten vorstelle. Wenn man alle Titel auf dem neuen Album so durchguckt, bot sich einfach der Titel, “Living For The Future” als Ausdruck einer Art neuen Aufbruchstimmung bei uns an. Da sich nach den Vorbestellungen und ersten Fan-Reaktionen ein guter Erfolg des neuen Albums ankündigt, bin ich optimistisch, dass das mit dem Weitermachen kein bloßer Wunsch bleibt.

MUM: Im Gegensatz zu einigen anderen, die kürzlich nach langer Abstinenz plötzlich mit neuer Musik überraschten – wie Boytronic oder auch Bell, Book & Candle – finde ich euer Album sehr solide und interessant. Habt ihr in den letzten Jahren Comebacks anderer Bands verfolgt, und welche würdet ihr als gelungen bezeichnen?

Sven: Danke für die Blumen. Ich habe, ehrlich gestanden, die Comebacks anderer Bands nicht so verfolgt und mich ganz auf unsere Twins-Sachen konzentriert. Es gab ja so einige Comebacks, das meiste davon war aber für mich nicht ganz so interessant, ohne jetzt überheblich wirken zu wollen.

Ronny: Ich höre selbst nur sehr wenig Musik, um mir die Lust am selbst komponieren zu erhalten. Als gelungen würde ich aber z.B. die neueren Alben von Erasure, Pet Shop Boys und Nine Inch Nails bezeichnen, da sich die genannten Bands, immer wieder verändern und an neue Hörgewohnheiten anpassen, ohne dass sie irgendwie bemüht klingen.

MUM: Für mich ist “Down In Key Largo” der langweiligste Titel des Albums – und gerade dieser ist der Opener. Findet ihr das Stück denn wirklich so gut, oder verbindet ihr damit besondere Erinnerungen, die den Track nach vorne gebracht haben?

Sven: Ich hoffe, du bist jetzt nicht enttäuscht, wenn wir das mit “Key Largo” ein wenig anders sehen. Ich halte ihn sogar für einen der stärksten Titel dieses Albums, vor allen Dingen, wenn man ihn öfter mal gehört hat – ein echter Ohrwurm. Ronny und ich haben beschlossen, die Reihenfolge der Stücke genau so zu machen, wie du sie kennst, und “Key Largo” als Opener halte ich dabei für keine schlechte Idee.

Ronny: Das sehe ich genauso. “Key Largo” hat einen etwas rockigeren Touch und da war ich sehr überrascht und erfreut, dass wir auch so etwas hinbekommen. Vielleicht machen wir ja nächstes Mal ein Rock-Album (lacht).

The Twins (Foto © Michael C. Möller)

(Foto © Michael C. Möller)

MUM: Viele Songs stehen in der Tradition eures damaligen Synthiepop-Stils, mit dem ihr die größten Erfolge hattet. Nur wenige Stücke wie “All I Want To Do” kommen auffallend moderner und druckvoller daher. Wolltet ihr euch bewusst so treu wie möglich bleiben?

Ronny: Mich persönlich hat der Sound unseres 93er-Albums “The Impossible Dream” im Nachhinein immer ein wenig geärgert, weil er mir als Drummer immer etwas zu zahm daher kam. Deshalb war es mir wichtig, dass das neue Album deutlich druckvoller klingt, ohne den Twins-Sound zu verleugnen.

Sven: Genau. Die Vielfältigkeit auf einem neuen Album war immer eine unser Stärken. Außerdem hatten wir intensiven Kontakt mit unseren Fans, und die haben sehr viel Wert darauf gelegt, dass wir weiterhin nach Twins klingen. Seit dem 87er “Hold On To Your Dreams”-Album, das bei CBS erschien, haben Ronny und ich allerdings noch nie so viel Gitarreneinspielungen selbst vorgenommen, was ja für eine im Grunde Electronic-Pop-Gruppe wie wir es sind doch schon ungewöhnlich ist. Ich bin ja von Hause aus nicht etwa Keyboarder, sondern Gitarrist, und auch Ronny spielt passabel Gitarre. Schon aus diesem Grunde lieben wir die Gitarren auf diesem neuen Album, auch wenn sie nicht explizit im Vordergrund unserer Musik stehen, sondern mehr zu einem etwas ‘raueren Touch’ der Twins beitragen.

MUM: Welches Stück ist euer Favorit auf dem neuen Album, und warum?

Ronny: Für uns ist ein Favorit gar nicht so wichtig. Wir finden es viel wichtiger, nicht jeden Song vom Aufbau und vom Mix her total durchzustylen und möglicherweise dadurch zu glatt zu machen. Deshalb haben wir beim Produzieren oftmals einfach kleine Unsauberkeiten stehen lassen, damit das Ganze frischer und lebendiger klingt. Das ist etwas, was wir früher praktisch nie gemacht haben. Außerdem haben wir mit deutlich mehr Gesangsspuren gearbeitet, was auf früheren Alben immer zu kurz gekommen ist, weil die technischen Möglichkeiten nicht gegeben waren. Früher hatten wir ja durch die 24-Spur-Bänder nur eine begrenzte Spurenanzahl. Aber heute muss man sich nicht mehr einschränken und kann vieles probieren und dann beim Mix entscheiden, was man davon verwenden will.

MUM: Spielt ihr Songs wie “Ballet Dancer” oder “Love System” immer noch gerne, oder nerven sie auch irgendwie?

Sven: Frag mal einen Porsche Fahrer, ob er lieber einen alten oder neuen 911er fährt (lacht). Na klar finde ich “Ballet Dancer” noch gut, auch wenn dieser Titel mittlerweile 35 Jahre alt ist. Allerdings reizen mich auch eher unbekanntere, ältere LP-Stücke, wie zum Beispiel “Golden Ring” vom vierten Album oder “Why Don’t You” von der “Wild Romance”-LP.

Ronny: Live spielen wir am liebsten Songs, die etwas knackiger zur Sache gehen, wie z.B. “Time Will Tell”, “Not The Loving Kind” oder auch “Game Of Chance”. Das Publikum möchte natürlich eher die Hits wie z.B. “Ballet Dancer” hören, insofern haben wir hier manchmal einen Interessenkonflikt zwischen den eigenen Vorlieben und den Erwartungen des Publikums.

MUM: Über all die Jahre gesehen von euren Anfängen bis jetzt – was war euer bester Song aller Zeiten und warum?

Sven: Auweia, da doch so einige sind, das kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Vielleicht “Desert Place”, ein Song der für 1981 so vieles möglich gemacht hat und immer noch live gespielt wird, aber auch “Face To Face” und Ronnys “One Day” vom 87er-CBS-Album sind da meine Favoriten.

Ronny: Mein klarer Favorit war und ist “Not The Loving Kind“.

MUM: Welches sind eure drei Lieblingsalben aller Zeiten?

Ronny: Scritti Politti “Provision”, Pet Shop Boys “Fundamental” und Garbage “Version 2.0”.

Sven: Bei mir gehören sicherlich die zweite und dritte LP von Gary Numan, die ersten beiden Roxy-Music-Alben und das 67er-Jimi-Hendrix-Album “Electric Ladyland” dazu. Ich bin eben Traditionalist – zumindest in dieser Richtung (lacht).

MUM: Wenn ihr euch drei Bands oder Künstler aussuchen könntest, um mit ihnen auf Tour zu gehen, wer wäre dies?

Ronny: Da habe ich keine Präferenzen. Wenn die cool sind, man mit denen gut über Instrumente fachsimpeln kann und die dann noch eine korrekte Aftershow Party auf die Beine stellen können, dann soll mir jede Band, die irgendwie musikalisch zu uns passt, recht sein.

Sven: Oh Gott, mit anderen Bands auf Tour zu gehen oder zu spielen, da haben wir so unsere Erfahrungen gemacht, vor allem damals mit Culture Club auf Deutschland Tour 1983, aber davon steht ja ausführlich im Buch “Die Abenteuer der Twins”. Super nett war Kim Wilde, mit denen spielten wir im Rahmen eines Festivals 2012 live in Tallinn. Sie, ihr Bruder und ihre Band waren super drauf und gaben, tatsächlich nur in Anwesenheit von unserem Tontechniker und mir, nachts um halb drei an der Hotelbar in Tallin eine intime Privatsession. Das waren echte Profi-Musiker, die einfach nur Spaß an der Sache, nämlich der Musik hatten.

MUM: Wie geht es für euch weiter in den nächsten Monaten?

Sven: Das wird sicherlich von dem Erfolg unserer jetzigen Veröffentlichungen abhängen. Aus Italien liegen schon wieder Auftrittsanfragen vor, ich glaube, wenn es dort mit einer VÖ klappt, könnte das einen ziemlichen Schub geben. Warten wir mal den Sommer ab.

MUM: Wer wird Fußball-Weltmeister – oder interessiert euch das nicht?

Sven: Ich denke Italien und Holland wohl eher nicht (lacht). Meiner Meinung nach werden Brasilien, Deutschland und Spanien das Rennen unter sich ausmachen.

Ronny: Schließe mich Svens Meinung an, habe aber auch die Franzosen noch so ein bisschen mit auf dem Zettel.

MUM: Welche Frage wolltet ihr schon immer mal gestellt bekommen, und wie wäre die Antwort?

Ronny: Das wäre für mich die Frage “Wie steht ihr als Band zu politischen Aussagen in euren Songtexten?”. Die Antwort: Ich hadere seit vielen Jahren damit, ob man hier und da, auch politische Aussagen in den Texten machen sollte oder nicht, und konnte bisher darauf keine wirkliche Antwort finden. Depeche Mode hat aber stellvertretend mit “Where‘s The Revolution” zumindest gezeigt, dass es möglicherweise sogar egal ist, weil wahrscheinlich kaum einer die in diesem Songtext gestellten Fragen reflektiert hat. Musiker, die solche Texte machen, bewundere ich aber schon irgendwie.

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MUM: Mucke und mehr

Mehr Informationen zu The Twins findet man auf www.the-twins.de und facebook.com/thetwinsberlin.

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