Home MusikKonzertberichte Placebo erfreuten beim einzigen Headliner-Gig des Jahres in Deutschland (Bonn, 10. August 2023)

Placebo erfreuten beim einzigen Headliner-Gig des Jahres in Deutschland (Bonn, 10. August 2023)

Autor: Tobi


Placebo (© Mads Perch)

(© Mads Perch)

Nachdem der Sommer 2023 sich in den letzten Wochen irgendwie nicht so richtig nach selbigem anfühlte und mit viel Regen und kühl anmutenden Temperaturen ein wenig auf’s Gemüt schlug, beschert uns der Wettergott nun doch noch einmal wärmere, schönere Tage. Am 10. August 2023 fühlte es sich so an, als sei er vielleicht Rheinländer und Placebo-Fan, war der Tag doch erstmals seit längerem wieder von herrlichem Sonnenschein geprägt und gingen die Temperaturen doch endlich mal wieder in wärmere Bereiche – pünktlich zum Konzert der Band auf dem Kunst!Rasen direkt am Rhein in Bonn.

Nachdem die Iren von The Murder Capital ab 19 Uhr als Vorband einen zwar ordentlichen, aber doch selbst in den kurzen 30 Minuten etwas zu wenig abwechslungsreichen und zu spärlich melodischen Auftritt hinlegten, erschallte um 20 Uhr zunächst mal eine aufgenommene Durchsage von Placebo-Frontmann Brian Molko, dass man doch bitte auf die Aufnahme zahlloser Fotos oder Videos verzichten möge, da sie so ein viel besseres Erlebnis hätten und auch jeder im Publikum das Konzert nicht durch den Smartphone-Bildschirm seines Vordermanns sehen möchte.

Message angekommen! Als Placebo um 20.10 Uhr die Bühne betraten, waren weit weniger Geräte gezückt als heutzutage meist zu beobachten, und das blieb auch so – sehr angenehm. Nachdem Sänger/Gitarrist Molko und Bassist Stefan Olsdal im März letzten Jahres mit “Never Let Me Go” nach neun Jahren wieder ein neues Album vorlegten und sich auf der guten Scheibe (lies unsere Rezension hier) in facettenreichen, gelungenen Songs diversen Problemen unserer Zeit widmeten, stellten sie diese bereits im Oktober und November 2022 in sieben großen Hallenkonzerten in Deutschland vor. Nun standen und stehen im Sommer 2023 diverse Festivals auf dem Programm, und nachdem sie im Juni bereits beim Hurricane und Southside Festival sowie beim Tollwood in München zu sehen waren, gab es mit dem Gig auf dem Kunst!Rasen Bonn auch eine Deutschland-exklusive Open-Air-Show als Headliner.

Die erste Hälfte des Gigs war klar geprägt von Stücken des aktuellen Albums. Angefangen von “Forever Chemicals” kamen mit “Beautiful James”, “Hugz”, “Happy Birthday In The Sky”, “Surrounded By Spies”, “Sad White Reggae” und “Try Better Next Time” gleich sieben der ersten neun Songs von “Never Let Me Go”, was dank der Klasse und des Abwechslungsreichtums der Scheibe allerdings nicht deplatziert wirkte. Die Stimmung unter den geschätzt 7.500 BesucherInnen unterschiedlicher Altersschichten – wobei Teenager kaum zu sehen waren, die Fans sind halt mit der Band gealtert und die Jugend von heute hört offensichtlich anderes – war gut, auch bei den hier zwischengestreuten “Scene Of The Crime” aus der 2013er-Scheibe “Loud Like Love” und “Bionic” aus ihrem 1996er-Debüt “Placebo”.

Während Molko vor ein paar Tagen noch dadurch Aufsehen erregte, dass er beim Konzert in Turin die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni als Faschistin und Rassistin beschimpfte, was ihm eine Anzeige einbrachte, die ihm reichlich egal sein dürfte, gab er sich in Bonn nur gutgelaunt und freundlich, mit ein paar deutschen Worten, insgesamt zwischen den Stücken aber eher wortkarg. Direkt zu Beginn stellte der Frontmann allerdings klar, dass sie sich nicht als Briten, sondern als Europäer sehen – was passt, denn auch wenn sie in England ansässig sind, wurde er in Belgien geboren, Stefan in Schweden. Ansonsten ließ Brian die Songs sprechen, von denen er im Laufe der Karriere zusammen mit Stefan so viele gute erschaffen hat. Unterstützt von vier weiteren Musikern, einer stimmigen Lichtshow und Projektionen auch gerne mal effektvoll verzerrter Bilder der live agierenden Protagonisten auf die Leinwände rechts und links der Bühne sowie hinter der Band lieferten der charismatische, stimmlich immer überzeugende Molko und sein zwischendurch auch mal für zwei Stücke am Piano sitzende Olsdal eine solide, gute Show ab.

Diese ging mit “Too Many Friends” (2013) in ihre umjubelste Phase, folgte nach dem letztjährigen, ruhigeren “Went Missing” doch dann mit “For What It’s Worth” (2009), “Slave To The Wage” (2000), “Song To Say Goodbye” (2006), dem immer noch mitreißenden Hit “The Bitter End” (2003) und “Infra-red” (2006) doch ein bunter Strauß an Klassikern, bevor die Jungs die Bühne verließen. Ein bisschen enttäuschend war, dass Placebo im Vergleich zum letztjährigen Hallengig im benachbarten Köln ihre Setlist lediglich um die beiden Songs “Twin Demons” und “Chemtrails” vom aktuellen Album eingedampft hatten, ohne aber neue hinzu zu fügen.

Das allseits bekannte und von Fans heiß geliebte “Every You Every Me”, welches sie zuletzt 2015 im Programm hatten, wurde also auch hier nicht gespielt, ebenso wie die immer gerne gesehenen “Nancy Boy” und “Special K”. Statt dessen bildeten die beiden Coverversionen “Shout” (im Original von Tears For Fears und hier als einzige Nummer von Stefan gesungen) und “Running Up That Hill” (Kate Bush) zusammen mit “Fix Yourself” von “Never Let Me Go” die Zugabe, und nach 90 Minuten entließen Placebo ihre Fans dann am Ende eines schönen Abends zwar in jedem Fall zufrieden in die laue Nacht, mit “Every You Every Me” wäre die Begeisterung allerdings noch eine Schippe größer gewesen – und ein paar Minütchen mehr wären ja durchaus noch machbar gewesen.

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Links:
Website von Placebo
Website des Kunst!Rasen Bonn

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